Sewan See - die blaue Perle Armeniens

 

Wieder stehen wir an der Grenze in ein für uns völlig neues Land. Unsere Entscheidung, in den frühen Abendstunden einzureisen, hat sich als richtig erwiesen, wir müssen praktisch nicht warten. Trotzdem zieht sich das Prozedere irgendwie in die Länge. Auto und Motorrad auf georgischer Seite wieder austragen lassen, dann auf armenischer Seite wieder beide eintragen lassen, das richtige Häusl finden, an dem man die Versicherung abschließen kann, die richtigen Papierln vorlegen, Geld wechseln, Sim-Karte besorgen…..alles in allem hat es dann doch 1 ½ Std. gedauert, aber dann waren wir drin. Da es mittlerweile schon ziemlich dunkel ist, wählen wir einen Standplatz nicht weit entfernt, mehr oder weniger nur etwas abseits der Straße auf einem Betriebsgelände. Allerdings…. Am Fuße des Klosters Achtala, das wir am nächsten Morgen besichtigen. Wir befinden uns quasi am nördlichen Ende der Klöster-Straße und haben uns gleich ein ziemlich schönes Exemplar rausgepickt. Das Wetter ist eher trüb, was diesem alten Gemäuer fast noch mehr Ehrwürdigkeit verleiht. Die wunderschönen Fresken im Inneren und die exponierte Lage in dieser tiefen Schlucht machen das Kloster zu einem erstklassigen Start für dieses neue Land.

Erst jetzt bei Tageslicht nehmen wir die Umgebung allerdings richtig wahr. Wir fahren durch diese imposante Schlucht, die der Ayrum in den Fels getrieben hat, üppige Vegetation zu beiden Seiten, vorbei Industrieanlagen, die die Kraft des Wassers und den Transportweg genutzt haben. Mittlerweile aber alle marode und kaputt. Überhaupt sind wir ziemlich schockiert, wie heruntergekommen jegliche Architektur hier ist. Die Dörfer hinterlassen einen fast trostlosen Eindruck, kaum ein Haus, das nicht baufällig wäre. Und wir sind von Georgien jetzt doch schon einiges gewöhnt, aber hier hat alles nochmal eine andere Dimension. Kaum ein Gebäude, das wirklich intakt erscheint, Bauruinen, wohin wir blicken. Kein schöner Anblick - die Armut ist diesem Land ins Gesicht geschrieben.

Vor allem hier im Norden leidet die Bevölkerung bis heute unter den Folgen des Erdbebens von 1988, bei dem 25.000 Menschen ihr Leben lassen mussten. Die wirtschaftliche Lage ist seit der Loslösung von der Sowjetunion 1991 nicht einfach, die Verdienstmöglichkeiten Mangelware und die Menschen sind auf Geldzuflüsse aus dem Ausland angewiesen. Viele Armenier sind nach Amerika ausgewandert. Zuletzt hat auch noch die Pandemie tausende Arbeitsplätze gefordert. Armenien hat es nicht einfach. Und der schwelende Berg Karabach-Konflikt, der soeben wieder einen Höhepunkt erreicht hat, macht die Situation noch schwieriger. Von all dem erzählen die baufälligen Häuser und containerartigen Unterkünfte. All das ist unweigerlich sichtbar, gleich wenn man das Land betritt.

Unser Ziel am nächsten Tag ist der Sevansee, von den Armeniern gerne als das „Meer in den Bergen“ bezeichnet. Ausgesprochen reizvoll liegt diese riesige Wasserfläche, fast doppelt so groß wie der Bodensee, auf 1900 Meter Höhe vor der Kulisse der Kaukasusberge. Als Armenien noch Sowjetrepublik war, wurde die Perle Armeniens fast zum Kippen gebracht, da man dem See für die exzessive Landwirtschaft an seinen Ufern viel zu viel Wasser entzog. Als der Wasserspiegel dann um bis zu 22 m sank, drohte der See zu kippen. Letztendlich musste man zwei Tunnels von 48 und 21 km bauen, um Wasser aus anderen Stauseen wieder zurück in den Sevansee zu pumpen, um das ökologische Gleichgewicht wieder herzustellen. Wir finden einen herrlichen Platz am Ostufer und genießen Campingfeeling. An zwei Tagen ist es sogar warm genug, um ins Wasser zu gehen. Doch sobald abends die Sonne verschwindet, wird es empfindlich kühl und wir genießen die Wärme des Lagerfeuers.

Wir treffen wieder Thomas und Sinhong und tags darauf stoßen noch Jonas und Ann-Katrin dazu. Auch dieses Land ist klein, und wenn man auf derselben Reiseroute unterwegs ist, trifft man sich zwangsläufig immer wieder. Und das ist ein großer Gewinn, wie ich finde. Man muss nicht ständig neu beginnen, muss seine Geschichte nicht wieder von vorne anfangen zu erzählen, man weiß schon ein bisschen voneinander. Das macht Gespräche dann auch wirklich interessant, man kann sich näher kommen, kann Persönliches austauschen. Das ist mir auf so langen Reisen sehr wichtig, sind meine wahren, ja alten Freunde, doch weit weg zu Hause. So bin ich also dankbar für diese schönen Momente und wir haben einen guten Start in diesem Land gefunden….