Am Großglockner

 

Der Sommer ist ja eigentlich nicht die Zeit, in der wir gerne unseren geliebten Garten verlassen. Und auch jetzt wieder war es zu Hause besonders schön. Aber da wir Styros nun mal aus seiner Werkstatt abholen müssen, bietet sich eine kleine Rundreise geradezu an. Wir fahren also mit dem Motorrad nach Saalfelden, entgehen nur mit viel Glück einem handfestem Sommergewitter und übernehmen Styros ganz nach Plan. Unser Dicker hat nun hoffentlich endgültig nach dieser letzten Revision all seine Kinderkrankheiten hinter sich gelassen und so beschließen wir „Heimaturlaub“ im Großglocknergebiet zu machen. Aus meinen Kindertagen habe ich zu Hause immer noch einen fetten Plüschmurmel stehen und so freue ich mich schon sehr auf diese Tour, um seine leibhaftigen Artgenossen wieder zu sehen. Um die Mittagszeit hat es im Tal noch ziemlich geregnet, doch je höher wir hinauf kommen, umso strahlender begrüßt uns der Nationalpark mit all seiner Pracht. Für Styros ist es die erste Hochalpintour und er schraubt sich tapfer Serpentine um serpentine nach oben. Etwas verhalten parken wir auf einem noch in Bau befindlichen Parkplatz nicht weit vom Gasthaus Fuschertörl auf 2.700 Meter. Wir nutzen die Gelegenheit für einen neuen Test, nämlich Warmwasser über die Dieselheizung zu produzieren. Und siehe da, die Höhe macht hier keinen Unterschied – juhu! Wir sind uns nicht ganz sicher, ob wir an diesem Standplatz erwünscht sind, aber wer nicht wagt, der auch nicht gewinnt. Und schließlich, so denken wir uns, aus „Gründen der Wiederherstellung der Fahrttüchtigkeit“ darf man eine Nacht ja eigentlich überall verweilen. Da kann auch der Gesetzgeber wohl nichts einzuwenden haben. Und gleich vorweg – niemanden hat`s gestört. 

Der Ausblick ist grandios, vor uns offenbart sich die ganze Pracht des Glocknermassivs. 1930 begann man mit dem Bau der Hochalpenstraße und schuf ein wahrhaft straßenbauliches Meisterwerk, das vielen Menschen damals zu guten, wenn auch sehr mühsamen, Jobs verholfen hatte. Die Arbeiter wurden laut Museumsvorführung gut entlohnt, zumal ihr Einsatz vor allem im Winter auch wirklich enorm war und ihnen körperliche Höchstleistungen abverlangt hatte. Die Straße windet sich wie eine graue Bergvipper zwischen den Berggipfeln hindurch. Baumeister Rehl und sein Ingenieur haben es tatsächlich irgendwie geschafft, ein technisches Großprojekt charmant in die Natur zu setzten, ohne dabei allzu große Narben zu lassen. 

An den folgenden zwei Tagen machen wir zwei ausgedehnte Wanderungen auf den Brennkogel (3017m), sowie die Kammwanderung auf den Baumgartl- und Hierzerkopf (jeweils um die 3000m). Die Region lockt mehr Motorrad- und Cabriofans als Wanderer an und so gehören die Wanderwege uns fast alleine. Die Almwiesen leuchten in der warmen Vormittagssonne und die sommerliche Blumenpracht begleitet jeden unsere Schritte. Das Panorama ist einfach nur herrlich – und zugegeben,  es muss nicht immer Nepal sein, unsere Heimat steht dem um nichts nach! 

Und wir haben jedes Mal Riesenglück vor dem nachmittägigen Gewitter wieder retour zu sein. Dann nämlich zeigen sich die Berge von ihrer ganz anderen – von ihrer dunklen Seite! Es dauert kaum länger als zwanzig Minuten und der herrliche Sommertag verwandelt sich in eine Mischung aus alpiner Endzeitstimmung und Naturschauspiel. Wolkentürme kriechen an den Hängen empor, Nebel füllt die Täler dazwischen und in kürzester Zeit verschwinden auch wir im Einheitsgrau. Ein heftiger Schauer zieht über uns und der Sturm bringt sogar Styros leicht ins Wanken. Aber es droht keine wirkliche Gefahr, wir haben es trocken, warm und gemütlich.

 So verbringen wir wirklich herrliche Tage in unserer alpinen Heimat, einzig, das mit dem fetten Murmel hat leider so gar nicht funktioniert. Wir hören sie pfeifen, aber die Feiglinge lassen sich nicht blicken. Also muss ich weiterhin mit meinem Plüschexemplar Vorlieb nehmen. Eine gar schaurige und gleichzeitig traurige Vermutung steigt in mir hoch…. vielleicht sind die meisten ihrer Art schon in einer Dose Murmeltierfett verschwunden….