Manghystau 

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Wüste am Kaspischen Meer

Die meistbesuchten Orte in Kasachstan sind wenig überraschend die beiden Metropolen Almaty und Astana. Die im Schnitt meiste Zeit verbringen ausländische Touristen jedoch in Mangystau, in jener Wüstenlandschaft, 20 km östlich vom Kaspischen Meer (das ja eigentlich ein riesiger See ist – Kaspisee).

Vor 150 Millionen Jahren war hier Meeresgrund. Heute liegt die Region Mangystau gebietsweise bis zu 100 Meter unter dem Meeresspiegel. Und genau hierher verschlägt es auch uns. Gute 1000 km von der russischen Grenze entfernt

Wir fahren durch dieses mir noch so fremde Land, durch kleine Ortschaften, vorbei an typischer Ostblockarchitektur. Vor allem aber geht es über staubiges Land, durch endlose Steppe. Das Frühjahr hat zartes Grün auf die Weite gemalt und ganz selten, fast verstohlen mischt sich eine zaghafte Blüte unter. Trotzdem empfinde ich diese akzentlose Weite, diese schnurgeraden Straßen beinahe bedrückend. Die Region gilt als Zentrum der Förderung fossiler Brennstoffe. 6 Milliarden Barrel beträgt angeblich die Öl-Reserve im Erdreich. Und wieder eine Raffinerie in der Ferne. Was kann ich also an charmanter Umgebung schon erwarten? Mein Auge bleibt demnach an den unzähligen Strommasten hängen, die die Steppe wie ein vertikales Mikadospiel übersäen. Ich muss es gestehen - nicht wirklich schön.

Es hat gerade auch ziemlich abgekühlt, hat morgens nur noch 6 Grad und kalter Wind schlägt uns entgegen, sobald wir den LKW verlassen. Die Faszination der Steppe ist einfach noch nicht auf mich übergesprungen. Das Licht ist diffus, gibt Konturen nur verschwommen Preis.

 

Schon davor haben wir große Pferdeherden in der Steppe gesehen und jetzt kommen auch Kamele und Dromedare dazu. Und wirklich herzerwärmend ist die Tatsache, dass viele Jungtiere unter ihnen sind. Noch zappelige Fohlen staksen zwischen den langen Beinen ihrer Mütter. Die schon alten zotteligen Huftiere verlieren gerade ihr Winterfell, was ihnen ein wirklich komisches, etwas schnoddriges Aussehen verleiht. Plötzlich baut sich links von uns ein Gebirgsmassiv aus dem diffusen Licht auf, schiebt sich förmlich aus der völlig flachen Ebene heraus nach oben. Das Wetter ist immer noch trüb, Farbenpracht sieht also anders aus, alles verschwimmt in matten Beigetönen. Wir biegen von der asphaltierten Straße auf eine Piste ab. Unsere Stollenreifen wirbeln massiv Staub auf. Der Wind ist deutlich schneller, als unsere Fahrgeschwindigkeit, also überholt uns die eigene Staubwolke und hüllt uns ein. Immer näher kommen die gestreiften Felsgiganten. Die Piste führt am Hang zwischen den Bergrücken nach oben auf ein Plateau. Und plötzlich, vielleicht das erste Mal auf dieser Reise durch Kasachstan, merke ich, wie sich mein Blick weitet, auch irgendwie auch in mir drinnen etwas auf macht. Mein Staunen wird zum Türöffner für meine Sinne! Eine schier unendliche Salzpfanne breitet sich vor meinem Auge auf – das Wetter ist uns gnädig und der Himmel reißt für wenige Momente auf. Fast gleißendes Weiß brennt sich auf die Netzhaut - vielleicht ist es so auf dem Mond? Oder zumindest so ähnlich. Langsam bekomme ich eine Ahnung von diesem Manghystau.

Der nächste Tag besticht leider wieder mit schlechtem Wetter. Es regnet und stürmt. Ja, der Wind ist so stark, dass wir Mühe haben, einen brauchbaren Stellplatz für die Nacht zu finden. Wir erreichen den Berg Sherkala – ein solitärer Felsklotz, der die Form einer Jurte hat. Die Anfahrt über die Piste ist nicht ganz leicht, aber für Styros (und Christian) gut machbar. Die Felsformation ist prächtig, jedoch das Licht ist schlecht und der Wind pfeift grausam. Erst am Abend ergeben sich noch ein paar spannende Fotomotive, als die Sonne unter der Wolkendecke hervor rollt und gleich wieder am Horizont verschwindet.

Der nächste Tag verspricht wieder Regen und auch die Guides, die wir treffen, und die auch alle wirklich ausgesprochen nett und hilfsbereit sind, warnen uns vor schlammigen Pisten. Und unsere Reisebegleiter mit ihren Hochdächern am Auto machen diese regelmäßig dicht, da der Sturm so an den Wänden reißt. Abends wird eingeheizt und tagsüber verbringen wir mehr Zeit im Auto als draußen. Wie beschreibe ich es am besten… ich versuche, hier in Kasachstan, in dieser Ecke, die wir eben erkunden, das Schöne, das Besondere zu finden. Es offenbart sich mir aber nur in ganz kleinen Portionen. Auch das sind Tatsachen und Erkenntnisse, die das Reisen zu Tage fördert. Doch es ist ja bloß ein temporärer Stimmungsbericht, einer der sich beim bloßen Betrachten der Bilder wahrscheinlich schwer erkennen lässt. Dennoch entspricht er meiner momentanen Wahrnehmung – das Besondere versteckt und nicht auf den ersten Blick sichtbar, das Schöne verpackt in ganz viel Kargheit. Genau so erlebe ich im Moment Kasachstan. Ich bleibe aber neugierig darauf, was die nächsten Tage noch so bringen werden….