Istanbul

Eine Stadt, die in einer Zeit vor 2700 Jahren gegründet wurde, in der es noch keine Kontinente gab. Heute erstreckt sie sich als einzige Stadt auf dem Globus sogar über zwei Kontinente! Und genau so ambivalent zeigt sie sich auch – ein Schmelztiegel der Kulturen. An einer Ecke stehen Frauen, schwarz verhüllt und stellen sich zum Gemüsekauf an. Einmal um dieselbe Ecke herum kann man bereits  das Portal eines Gourmettempels erhaschen. Auf mehreren Etagen Spa, Geschäfte, Cafes, Restaurants  und die Rooftop-Bar. Istanbul ist Sehnsuchtsort für viele. Hippes  Leben und Business as usual für die  einen. Die anderen wollen einfach nur irgendwie ihr Geld verdienen – v.a. jene, die aus der Armut in Ostanatolien kommen. Sie bleiben als Schuhputzer, Straßenkehrer oder Träger von Waren aller Art. Ich hatte das gar nicht mehr so in Erinnerung, dass auch in diesem Großstadtmoloch noch so viele Waren per Handkarren quer durch die engen Straßen transportiert werden. Und dabei geht es ja ständig bergauf und bergab. Mein Schrittzähler am Handy zeigt tgl. zwischen 12-15.000 Schritten an! Bummeln hat hier also auch eine sportliche Komponente.

Der große Bazar wird renoviert und erinnert schon eher an eine moderne Mall in altem Gemäuer. Ein Viertel weiter nach Nordwesten wägt man sich fast wie in Chinatown. Unzählige kleine Garagengeschäfte. Eines mit tausenden Wollmützen, Schuhen oder Jeans, das Nächste voll mit Schnüren, Borten und Knöpfen, und dazwischen kleine Geschäfte für die Dinge des Alltags. Gegessen wird im Stehen oder auf kleinen Holzsesseln, wie ich sie sonst nur aus Laos oder Myanmar kenne. Ein buntes Treiben, das mich jedes Mal aufs Neue in den Bann zieht. Die Stadt ist unbändig laut und voll – Menschen, Autos, Straßenbahnen, Handkarrenfahrer und Touristenbusse machen sich den Platz in den engen Gassen streitig. Irgendwann braucht man unbedingt etwas Ruhe und wir ziehen uns auf ein Cafe am Dach zurück. Es ist Mittag und der Muezzin ruft. Das ist dann der Moment, in dem mich der Orient besonders anzieht. Es passt so wunderbar hierher. Der Adhan ist nur ein bloßer Aufruf zum Gebet. Fünfmal am Tag zur Erinnerung, Allah zu würdigen. Istanbul steht dem Westen in der gesamten Türkei wohl am nächsten. Wie viele diesem Aufruf also Folge leisten, weiß ich nicht. Die Moscheen haben auf jeden Fall für uns als Touristen an Anziehungskraft nichts verloren – sind sie wohl eine der schönsten auf der ganzen Welt!

Wir fühlen uns riesig wohl in dieser Stadt. Styros hierher ins Zentrum der Altstadt zu bringen, war nicht ganz so einfach. Das Navi zeigt halt doch nur „theoretisch mögliche Verbindungen“ an. Die Ausmaße und den Kurvenradius unseres Dicken berücksichtigt es nicht wirklich. Irgendwann verlässt sich Christian dann nur noch auf seinen Orientierungssinn, verwirft alle Anweisungen des Navis und bringt mich damit völlig aus der Fassung!! Mein Routing schreit nur noch „umkehren“, wirft ständig neue Möglichkeiten aus, die Christian tunlichst negiert und mit Intuition navigiert, und mir rinnt der Schweiß in kleinen aber konstanten Bächen in Richtung Hosenbund …. Aber irgendwann stehen wir tatsächlich vor unserer Parkplatzeinfahrt - ohne uns verfahren zu haben !! Rund um eine kleine Grünfläche reihen sich Tagesausflügler und einige wenige Womos. Der Park bietet tagsüber Schatten für Tisch und Sessel und abends ist der Platz auch bewacht. Nachts hingegen mutiert die Grünfläche zu einer kleinen Partyszene. Es ist nicht wirklich schlimm – abgesehen von ständigem Stimmengewirr vor unseren Fenstern, Livemusik und Autos, die kommen und gehen J J. Aber wir zwei haben einen gesegneten Schlaf und überstehen auch das!

Am dritten Tag unserer Stadtrundgänge schnappt auch bei uns die Falle zu! Hasan ist gut in seinem Geschäft J. Und letztlich, nach 3 Tagen Verhandlung, 2 Essenseinladungen und vielen Gesprächen  gehen wir mit einem riesigen neuen Seidenteppich aus dem Laden. Der nimmt jetzt die Hälfte unseres Wohnraumes im LKW ein und ich schiebe das Paket je nach Notwendigkeit nach rechts oder links.

Wir sind neugierig und stellen Hasan ein paar zaghafte politische Fragen. Er ist Kurde und daher interessiert uns seine Meinung zur Lage. Er jedoch tut sie mit einem Schulterzucken und einem Fingerzeig zu seinem Mitarbeiter ( der ist Türke ... )  ab. Wirklich darüber reden ist also nicht möglich. Die Stadt und das Leben hier bleiben also ambivalent – sind aber immer wieder einen Besuch wert. 

 

Ja , und an diesem Punkt kehren wir wieder an den Beginn des Kapitels zurück. Schweren Herzens und mit Wehmut beschließen wir die Reise von hier aus nicht weiter fortzusetzen sondern kehren um. Es macht aus unserer Sicht zum jetzigen Zeitpunkt keinen Sinn nach Zentralasien aufzubrechen. Wir  wollen der Sache 2022 aber noch eine letzte Chance geben, dann sind es 3 Jahre dass uns Corona heimgesucht hat. Wenn diese 3 Jahre nicht ausreichen sollten, um die Welt wieder in einem normalen Rhythmus ticken zu lassen, werden 5 Jahre dies auch nicht tun. Dann leider müssen wir tatsächlich großräumig umplanen und uns etwas anderes einfallen lassen....