Paranoia

Welch große Ambivalenz in meinem Gefühl. Mal ziehen mich dieses Land, seine Menschen und Landschaften magisch an, mal erschreckt es mich und weckt verborgene Geister. Wir sind nun seit drei Wochen im Iran – und so geht es mir.

 

Alle 50 km sind Kameras über den Schnellstraßen angebracht. Es ist nur eine Vermutung, man weiß es nicht genau, aber es fühlt sich so an - man ist immer auf ihrem Radar! Und dann dieser Reifenschaden. Wir müssen wechseln – Stress pur. Werden alle anderen Reifen jetzt auch rissig? Vorerst mal verdrängen, das ist der Plan. Dann kommt da der nette Herr, der zuerst Konversation mit uns betreibt und dann völlig unerwartet seine Karte von der Geheimpolizei zeigt. Pässe und Visa werden kontrolliert. Er fährt und kommt wieder – mit drei Kollegen im Gepäck. Sie wollen das Auto auch innen inspizieren. Das ist jetzt mein Part. Dokumente werden nochmals kontrolliert und fotografiert, Kasteln werden geöffnet, man stellt mir Fragen, woher wir kommen, wohin wir wollen und warum. Mein Handy wird inspiziert, sehr kundig geht er auf meinen Instagram-Account und ich muss die Fotos auf meiner Kamera zeigen. Sie sind alle sehr höflich und ziehen auf meine Bitte hin ihre Schuhe aus. Aber trotzdem: Eine Grenze wurde überschritten! Vorerst mal wieder verdrängen.

 

Wir fahren in die nächste Stadt zum Reifenpicker. Während Christian schon am Organisieren ist, unterhält sich jemand mit mir über unsere Reise. Ich freue mich über sein gutes Englisch.  Er zückt wieder seine Karte – Geheimpolizei. Sie haben uns am Schirm! Das gleiche Prozedere nochmal. Ich bräuchte mir keine Sorgen zu machen, alles reine Routine und nur zu unserer Sicherheit. Ich lächle, bedanke mich quasi und bemerke meine Unterwürfigkeit. Damit geht es uns allen ähnlich.  Man will nur nicht auffallen.

 

Was für ein Tag, es reicht uns gewaltig und wir fahren ein Stück raus aus der Stadt zu einer Karawanserei vor herrlicher Kulisse. Dort sind wir wieder zu dritt, drei LKWs. Am Morgen des nächsten Tages kommt ein PickUp. Militär steigt aus, diesmal eindeutig erkennbar. Alles kein Problem, reine Routine, nur nicht weiter als bis zur Karawanserei, auch nicht mit dem Moped. Soweit die Belehrung! It`s restricted area. Pässe und Visa werden kontrolliert, Autonummern fotografiert. Man lächelt und fährt wieder. Wir lächeln auch. Aber wieder diese Unterwürfigkeit, damit geht es uns allen gleich. Es passiert ganz automatisch. Innerhalb von 48 Stunden drei Kontrollen – eine andere Welt!

 

Ob wir wollen oder nicht, die Geschichten im Kopf verselbständigen sich. Es ist die Ungewissheit, die ihr Spiel mit uns treibt. Was wird in diesem Bergbaugebiet gefördert, was ist vergraben, was wird hier gemacht? Alles nur Vermutungen. Wahrscheinlich sind sie falsch. Wer aber hat nun Paranoia. Sie, weil sie uns für Spione halten oder wir, weil wir überall Bomben und Raketen vermuten? Seit gestern übrigens funktioniert kein Internet mehr. Man hat es „vorübergehend“ landesweit abgeschaltet, weil es Unruhen in Teheran gibt und man eine landesweite Organisierung verhindern möchte. Dieses zwiespältige Gefühl begleitet uns also weiterhin …