Wenn das Paradies seine Tore öffnet

Wir kommen auf Koh Bulon an. Vertrautes Umfeld. Zu allererst begrüßt uns unser alter Freund Eckard . Auch er entflieht gerne der Hektik von Bangkok und besucht immer wieder dieses nette Inselchen.  Er ist sozusagen meine Bekanntschaft mit Bulon  der ersten Stunde. Wir kennen uns seit mittlerweile wohl weit mehr als 20 Jahren und haben uns immer wieder auf "unserem" liebenswerten Eiland getroffen. So freuen wir uns auch dieses Mal uns wieder zu sehen, auf anregende Gespräche und wir freuen uns ganz besonders ihm in ausgezeichneter Gesundheit zu begegnen. 

 

Wir nehmen den Shortcut  von unserer Hütte am Strand hinauf ins Dorf mitten durch den Dschungel. Der Boden ist bedeckt von dichtem Blattwerk. Da man nie genau weiß, was sich drunter verbirgt,  schlagen wir immer wieder lautstark mit einem Stock gegen den Boden, um allen Schlangen und giftigen Tausendfüßlern klarzumachen „jetzt kommen wir“. Für die 2 - 2,5  Meter langen Riesenechsen sind wir weitgehend uninteressant und stehen wahrscheinlich erst auf der Rückseite ihrer Beuteliste. Trotzdem, „ Jungs, verzieht euch“. Ein Abweichen vom schmalen Pfad wäre ohne Machete und rohe Gewalt schier unmöglich, so dicht ist das Geäst. Hier wird sichtbar, mit welch unbändiger Kraft sich die Natur ihr Terrain einfach nimmt. Nur durch stetiges und mühevolles Dagegenhalten kann sich der Mensch seinen Teil des Refugiums erhalten. Die kleine Insel Koh Bulon Leh hier in der Straße von Malakka ist beseelt vom Dschungel und seinen Bewohnern. Die grüne Hölle in der Mitte umgibt ein Traumstrand wie ein weißer Saum und einer Krone gleich umrahmt das Korallenriff das kleine Eiland mit seinem türkiesen Ring. Eine paradiesische Insel.

Doch das Paradies hat auch seine Schattenseiten, hat seine Schlangen, die wild durch die Schönheit jeglichen Idylls peitschen und dabei mit ihren giftigen Zungen rasseln. Es ist der Mensch, der sich seine Umgebung untertan macht, und dabei tiefe Wunden zurück lässt. Und hier in dieser für uns noch fast unberührten Natur erscheinen uns diese Verletzungen besonders hässlich. Hier behält das Grün zwar seinen  Raum, man hinterlässt daneben aber all das Hässliche ohne jegliche Kuvertüre, sichtbar für jeden. Hütten verfallen, Generatoren sudeln Öl in den Boden, Müll in jeder Mulde unter dem Blattwerk und das Inselvolk sieht zu. Das ist irritierend, stößt uns ab. Wir fragen uns, warum man so leben möchte, ja wie man so leben kann? Aber mal ehrlich, ist die Sache nicht wieder mal viel komplizierter? Zu Hause  gießen wir das Erdreich unserer heimischen Natur in Beton und behübschen es oberflächlich. Und alles scheint gut. Alles, was Hässlich ist und stinkt wird ausgelagert, unsichtbar gemacht. Sind die Dimensionen nicht viel weitreichender, als sie auf den ersten Blick erscheinen? Wieder mal bleibt nur die Erkenntnis großer Andersartigkeit am Ende übrig. Die Unterschiede durchkreuzen jede Möglichkeit wahren Verständnisses. Ja manchmal bohrt sich das Fremde schmerzhaft in unsere liebgewonnenen Vorstellungen von Wahrheit und Ordnung.

Doch das Paradies zeigt uns heute seine Janusköpfigkeit. In Wahrheit gibt es das Eine nämlich nicht ohne das Andere. Zumindest nicht in der echten Welt, dort wo das Resort -Leben aufhört, wo „Schöner Wohnen“ nur mehr der Titel einer Zeitschrift ist und das wahre Leben beginnt.

Doch eben in diesem Moment, auf unserem Weg hinauf ins Dorf, ist es irgendwie anders. Die Realität zeigt sich nur von ihrer Marmeladenseite. So nahe am Äquator ist es jetzt um 18.30 schon stockdunkel. Alle Zikaden dieses Eilandes scheinen sich in diesem Moment zu einem einzigen Klangkörper zu vereinigen und lassen mein Zwerchfell vibrieren. Wie ein Stakkato dazwischen die Rufe eines Paradiesvogels. Und über diese akustische Wolke legt sich fast hingebungsvoll der Ruf des Muezins. Er singt heute besonders melodisch und schön. Die Tore zum Paradies haben sich soeben weit geöffnet und wie in einem Sog zieht es uns tief hinein, lädt uns ein zu verweilen. Wir bleiben stehen inmitten dieses Dunkels und nur die Sterne über uns werden Zeugen dieses Zaubers. Ein ganz wunderbarer Moment!