Gehörnte Ehemänner und echte Superhelden

Wir sind noch fast ein bisschen verschlafen, aber Pelops rüttelt uns früh morgens aus den Federn, weil er uns noch so Vieles zeigen möchte. Unser nächstes Ziel – Epidauros. „Du weißt ja sicher welchen Gott wir dort verehrt haben?“ richtet er die Frage an mich, so als ob die Antwort kinderleicht wäre. Ich gebe mich ganz kleinlaut „leider nein“ und ernte lange Ausführungen und Belehrungen. „Also, Epidauros war über viele Jahrhunderte religiöses Zentrum und Kurort zugleich, verehrt wurde Asklepios, der Gott der Heilkunde!“  Das hat gesessen, nun merke ich es mir! Ich lerne auch noch, dass der gute Asklepios fast gemeinsam mit seiner Mutter getötet wurde, die ihren Ehegatten Apollon noch während der Schwangerschaft betrogen hatte. Der Gehörnte tötete sie mit einem Pfeil, Asklepios hatte Glück und wurde von einer Ziege aufgezogen, von einem schlauen Kentaur, der ihm die medizinische Kunst beibrachte. Als er dann allerdings sogar Tote wieder zum Leben erwecken konnte, zog er sich die Feindschaft Hades` zu, was wiederum Zeus auf die Bühne brachte, der ihn dafür bestrafte usw. usw. usw. Diese unendlichen Verstrickungen und Fehden werden uns manchmal fast zu viel und wir schlendern lieber langsam durch die riesige archäologische Ausgrabungsstätte. Bedeutendster Anziehungspunkt ist zweifelsohne das gut erhaltene Theater. Dieser riesige Bau fasst 14.000 Zuschauer und wird heute noch für Theateraufführungen genutzt. Wir haben Glück und sind fast alleine … noch bevor unzählige Schulklassen wie ein römisches Überfallskommando einfallen. Lässt man in der Mitte des Orchestras eine Münze fallen, kann man dies bis in die oberen Sitzreihen noch hören. Natürlich tut uns Pelos diesen Gefallen um uns die architektonische Meisterleistung dieses Bauwerkes zu demonstrieren. Dann gibt es noch Reste unzähliger Tempel, auch vom Gymnasion und Grundmauern von Badehäusern und Vieles mehr. Zum Teil fehlt uns wohl einfach die Fantasie um in wenigen umgeworfenen Steinen den Aphrodite-Tempel oder Ähnliches zu erkennen. Natürlich gestehen wir dies unserem Gastgeber nicht sondern zeigen uns ehrfürchtig. Dann aber ist es auch irgendwann genug – wir brauchen Ruhe. 

 

Es geht weiter gen Süden an einen wunderschönen Strand. Mit uns kommen Willi und Rosi aus Deutschland und weit weg am jeweils anderen Ende des Strandes stehen noch zwei Womo`s. Also eigentlich  sind wir ganz alleine! Das Wasser ist nur im ersten Moment kalt, dann herrlich erfrischend und klar. Ein echter Hochgenuss und weil`s so schön ist, hängen wir gleich noch eine Nacht mehr dran. Pelops kann dem „easy going“ hier nicht so viel abgewinnen und bombardiert uns mit griechischer Kulturgeschichte. Ich erspare hier dem Leser so Manches.

 

Nach der verdienten Pause geht es weiter nach Nàfplion, ein hübsches Städtchen am Fuße eines mächtigen Felsvorsprunges. In den Sommermonaten strömen hierher Tausende Touristen und sogar Kreuzfahrtschiffe spucken ihre Ladung aus. Dann kann man die nette Altstadt getrost vergessen. Jetzt ist alles noch relativ ruhig und verschlafen. Auf dem 200 m hohen Felsenberg thront eine weitläufige Befestigungsanlage mit herrlichem Blick hinunter in die Altstadt. Nur 500m vom Hafen entfernt befindet sich auf einer kleinen Insel ein venezianisches Fort – und genau mit Blick darauf parken wir mit Styros wieder mal in der ersten Reihe im Hafen. Der ideale Platz um den Ort zu erkunden und abends gemütlich essen zu gehen.

 

Am nächsten Morgen allerdings ist Pelops nicht mehr zu halten, er zeigt uns Tiryns, die Reste jener größten Mykenischen Burg und die massive Befestigungsmauer mit einer Dicke bis zu 8 Metern. Proitos, König von Argos,  gab den Zyplopen den Auftrag zum Bau der Mauer. Einzelne Steinblöcke wiegen bis zu 14 Tonnen. Von einem seiner königlichen Nachfolger weiß Pelops schon wieder so eine Story zu berichten. Dessen Frau Alkmene betrog ihren Mann mit Zeus und aus dieser Liaison entstand kein geringerer Spross als Herkules. Nun da konnten Mami und Papi aber froh sein, dass die Mauern des Kinderzimmers so dick waren, wer weiß, was er sonst alles angerichtet hätte. Pelops findet meine Bemerkung völlig unpassend und erzählt mir stattdessen von den wahren Kraftakten jenes Herkules als wir später an Myli, dem antiken Lerna, vorbeikommen. Dort hat Herakles (wie ihn die Griechen ja eigentlich nennen) seinen Kampf gegen die neunköpfige Hydra gefochten. Als eine der zwölf Prüfungen, die ihm als Sühne für den Tod an seiner Familie auferlegt wurden. Aber machen wir es kurz, er war eben ein echter antiker „Superman“. Ich versuche wieder Konversation zu betreiben und zeige Pelops unseren modernen „Superhelden“, unseren Styros  mit seinen 13 Tonnen Lebendgewicht. Doch schon im selben Moment bereue ich meine lose Zunge, wissend dass man Gottheiten nie das Gefühl geben sollten, sie wären unterlegen. Wir lassen es also und genießen lieber stillschweigend die wunderschöne Landschaft hier in der Argolis. 

 

Wenn wir die Fenster öffnen erreicht uns ein olfaktorisches Feuerwerk. Orangen- und Zitronenbäume stehen in voller Blüte, das heißt sie tragen Früchte und Blüten zugleich, und alles duftet unbeschreiblich gut und vor allem extrem intensiv. Und nicht nur das, die Früchte schmecken auch außerordentlich köstlich, liegen praktisch einfach überall herum. Aber nicht nur die, vor zwei Tagen kam Christian von einer kleinen Motorradtour zurück und im Handgepäck hatte er zwei riesige Salatköpfe – frisch geerntet, quasi  „ab Feld gekauft“. Nun gut, das sollte bei 9 Milliarden Unterstützung schon drinnen sein. 

 

Auf unserem weiteren Weg entlang des dritten Fingers geht es richtig in die Berge. Unzählige Serpentinen schnauft Styros nach oben und auch wieder runter, denn auch dosiertes Bremsen bedeutet hier Kraftaufwand mit diesem gewaltigen Schub im Hintergrund.  Die Straßen sind soweit gut, ab und an etwas holprig. Das größere Problem ist hier wieder die Enge der Ortsdurchfahrten. Nicht vergessen Seitenspiegel einklappen! Bis jetzt ist noch alles gut gegangen, und damit wir bei Kräften bleiben machen wir wieder eine kleine Pause am Meer. Eine schöne Bucht, wir sind wieder fast alleine. Einzig so gar nicht von unserer Pelle rücken möchte der Wind. Alles was wir nicht beschweren oder anbinden  fliegt uns nur so um die Ohren. Fast reißt es uns die Türen unseres Dicken aus der Hand, wenn wir nicht aufpassen. Nein nein, das gefällt uns nicht wirklich. Ich versuche bei Pelops eine Beschwerde diesbezüglich vorzubringen mit der Bitte ob er denn hier nicht irgendetwas tun könnte. Vergeblich, das läge so gar nicht in seiner Hand und „hätte wohl auch seinen berechtigten Grund“. Na dann Danke für die Mitarbeit, das war jetzt nicht sehr freundlich. In der Nacht müssen wir Styros dann umparken, also in den Wind stellen, weil es uns gar so durch`s Haus beutelt. Draußen heult der Wind und wir versuchen erneut noch ein wenig erholsamen Schlaf zu finden ….. brrrrr