Heiße Quellen und eine Nacht am Hügelgrab

 

Trotz der langen Küste  bleibt Albanien ein Land der Berge, dominiert von meist von Nord nach Süd parallel verlaufenden Bergketten. Sie zu überwinden ist meist infrastrukturmäßig gar nicht möglich, daher ist der Zeitbedarf hier anders – und vor allem flexibel – zu definieren. Nun, die Karte zeigt eine dicke rot markierte Straße, in Christians Navi ist sie gelb, also schmaler definiert, und meine Naviversion zeigt überhaupt nur ein kleines weißes Sträßchen. Also wie nun? Wie gesagt, man muss in diesem Land flexibel und eben auf alles gefasst bleiben. Wir hatten bisher Glück, aber die Straßenqualität kann sich rasch ändern, da kommen die Kartographen gar nicht hinterher. Also entweder ist sie wider Erwarten nagelneu, oder man hat sie eventuell schon vernachlässigt, und übrig geblieben ist eine löchrige Piste. Unter diesen Voraussetzungen beschließen wir schon jetzt, eher auf den Hauptverkehrsrouten zu bleiben, da die Natur sich auch von hier aus wunderschön präsentiert.

 

Nach so viel Kultursightseeing der letzten Tage ist wieder ein bisschen Pause angesagt. Unser Ziel: die Heißen Quellen bei Permet. Wir haben Wochenende – und das haben auch die Albaner! Kaum ist es Mittag, strömen die Massen in den engen Talschluss und dümpeln im warmen Wasser. Entgegen meiner Erwartung, mich jetzt in einen richtig heißen Naturpool setzen zu können, muss ich mich schließlich mit schwachen 30 Grad zufrieden geben. Dem Empfinden nach, waren es viel (!) weniger! Aber immerhin, so als Ganzes nach drei Wochen „Tröpferl-Spar-Dusche“ sich wieder mal in einem riesigen Süßwassertempel zu suhlen, macht schon richtig Spaß! Wir warten einfach, bis die Tagesmeute das Feld verlassen hat, dann gehört die glasklare Badewanne uns ganz alleine. Nachmittags macht jeder von uns mal sein ganz individuelles Programm. Ich mach`s mir alleine gemütlich im und ums Haus. Wandere gemächlich zwei Stunden in den Canyon, trinke Kaffee, wasche mir die Haare (!) und lese in der Sonne. Franz macht eine ziemliche Gewaltmountainbike-Tour, die ihn erst in den Abendstunden wieder nach Hause zurück bringt. Und Christian kommt nach seiner Motorrad-Tour zurück, als hätte er sich in einem Schlammloch gesuhlt. Na ja, jeder wie er`s braucht.

 

Endlich mal ein Tag für die KTM 690 wofür sie gebaut wurde – aber das erfahre ich erst später. Es geht auf eine Runde ins Hochland die lt. Offroadführer für einen Landrover befahrbar sein soll -  also kein Problem für die 690er. Aus Erfahrung klug,  kommen Navi und ordentliche Enduroausrüstung zum Einsatz. Zuerst geht es auf einer gut 4x4 tauglichen  (oder sagen wir halt so) Piste los, bald aber schon wird das Gebüsch enger, die Piste steiler und auch schmaler, es geht durch ein ausgewaschenes Flussbett, dann durch das Gelände eines in Bau befindlichen Kraftwerkes und schon endet die Piste auch. Ein netter Mann erklärt mir, dass ich hier ganz und gar falsch wäre, ich versuche zu erklären, dass ich doch die Hauptpiste entlang gefahren wäre und nicht weiß wo es denn richtig wäre. Er setzt sich kurzerhand hinten drauf und wir holpern und hoppeln so 2 km über Stock und Stein zurück. Kein leichtes Unterfangen mit der 690er im Gelände und einem doch ganz ordentlich stämmigen albanischen Bauarbeiter hinten drauf. Bei einem unscheinbaren schmalen Hohlweg, der schräg nach oben geht, klopft er mir auf die Schulter und deutet „hier hinauf“. Ungläubig sehe ich mir den Hohlweg an – das soll die Hauptpiste nach Frasher sein? Er bestätigt und trottet die 2 km zurück.  Die Leute sind wirklich sehr freundlich. Ich trete alsdann  die 690er den Hohlweg hinauf. Lange Rede – kurzer Sinn – hier ist seit langer Zeit kein motorbetriebenes Fahrzeug  mehr gefahren. In den Schlammpassagen finde ich nur Eselspuren – sonst nichts. 50 km auf solcher Piste sind anstrengend, es ist teils stark ausgesetzt, sehr schmal und felsig. Teilweise muss ich die Enduro vorsichtig über sehr unwegsame schmale Passagen neben mir herführen, einfach drüberfahren ist mir zu gefährlich. Ein Stein am Vorderrad, der mich aus der Richtung bringt, und es geht 14 Tage bergab. Nach 7 Stunden bin ich etwas geschlaucht zurück und erfreue mich an der wohl größten Privatbadewanne, die ich je gehabt habe. 

 

Weiter geht es über die Berge Richtung Ostalbanien – einsame Gebirgslandschaften, herrliche Flusslandschaften und fast unbekannte Seen an der Grenze zu Mazedonien erwarten uns. Aber das mit der Flexibilität in diesem Land, das hab ich schon mal erwähnt! Was auf unserer Landkarte wie eine akzeptable Strecke von gerade mal 100 Kilometern aussieht, entpuppt sich als strapaziöse Etappe mit unzähligen Bergwertungen rauf und wieder  runter. Die SH75 ganz im Osten Albaniens zählt durchaus zu den Hauptverkehrsverbindungen, nur wähnt man sich nicht wirklich auf solch einer, wenn man von einem Schlagloch ins nächste hoppelt und hinter jeder Serpentine mit einer neuen Überraschung rechnen muss. Die Straße ist wohl ganz gut befahrbar, wenn man die Durchschnittsgeschwindigkeit von so ca. 20 km/h als Kriterium berücksichtigt. Wir haben herrliches Wetter, Schnee lacht uns von den Berggipfeln entgegen, die so unglaublich nahe zu sein scheinen, und die Almlandschaft zu beiden Seiten lädt durchaus zu vielen Stopps ein. Trotzdem  lässt sich bestimmt nachvollziehen, dass nach der X-ten Bergkuppe das alleinige Panorama einfach nicht mehr so punktet – irgendwann ist`s auch genug! Auch uns reicht es dann irgendwann, schier lässt sich einfach kein geeigneter Übernachtungsplatz finden. Bei einem Versuch, an den See zu gelangen, der uns in der Karte schon vor zwei Stunden angelacht hat, obwohl er nur mehr 20 Kilometer entfernt war, scheitern wir leider an wenigen Zentimetern. Nur hilft jegliches Bemühen nichts, wenn das Hindernis über uns ein Betonbrückenpfeiler ist, der Styros zu skalpieren droht. Das können wir ihm nicht zumuten. Man muss einfach wissen, wann man der Schwächere ist. Das freundliche Winken aller beteiligten Albaner in allen Ehren, doch wir möchten einfach nicht auf diese Weise zu ihrer Abendunterhaltung beitragen. Wir bedanken uns für „ihre Unterstützung“ und bestreiten neue Wege. Und wieder geht es weiter, Serpentine um Serpentine, Schlagloch um Schlagloch rauf und runter.

 

Um wieder eine kurze Pause einzulegen, beschließen wir, die bedeutendste archäologische Fundstätte des Landes zu besichtigen. Eigentlich haben wir es mit dieser Disziplin gar nicht so, aber wir sind „fahrmüde“. Also nichts wie hin zum Tumulus von Kamenica, dem riesigen Grabhügel mit 40 Metern Durchmesser. Bereits 1300 v.Chr. wurde dieser Tumulus erstmals benutzt. Und 2003 brachte eine zweijährige Grabungskampagne dann 440 Skelette und 3500 Objekte ans Tageslicht. Die Funde dokumentieren unter Anderem chirurgische Eingriffe an der Schädeldecke am lebenden Menschen. Wie bereits erwähnt, wir sind auf Herbergssuche, und wenngleich wir uns nicht zur letzten Ruhe betten wollen, aber einen ebenen Standplatz mit Abendsonne hätten wir halt gerne, und fragen kostet ja schließlich nichts! Und siehe da, die nette junge Dame, die uns durch die Ausstellung führt, gestattet uns auf Anfrage hin auch hier zu nächtigen. Es kommen ohnedies heuer keine Touristen, you are wellcome and safe, tell me, if you need anything….

 

Na da sind wir schon völlig zufrieden und am Ende unsere Wünsche angelangt. Ein ruhiges Plätzchen, inmitten der archäologischen Ausgrabungsstätte, praktisch im Mondschatten des Hügelgrabes, da hoffen wir doch auf eine selige Nachtruhe.

 

Wenn wir schon auf so prähistorischen Boden geschlafen haben, bleiben wir gleich bei etwas sehr Atem: die beiden Prespa-Seen und der Ohrid-See im Grenzgebiet zwischen Albanien und Mazedonien gehören nach dem Baikal-See zu den ältesten, bereits im Tertiär entstandenen, stehenden Gewässern der Erde.

 

Hier herrscht ländliche Idylle pur. Wir nächtigen am Seeufer des großen Prespa-Sees, quasi umzingelt von an die 10 Esel, und morgens wecken uns Kühe, die sich an unserer Stiege kratzen. In den Sommermonaten wird die Ecke ganz bestimmt von Urlaubern bevölkert sein, gibt es doch den berühmten Skarpi-Fisch frisch aus dem See. Und ja, er war ganz gut. Es ist ganz sicher  nicht die charmanteste Gegend für den adriaverwöhnten Mitteleuropäer, aber durchaus interessant. Und hätten wir mehr Glück mit dem Wetter gehabt, dann wären auch die Ausblicke noch beeindruckend gewesen. Aber so erleben wir dieser Tage unseren ersten Reiseregen. Am Ohrid-See wählen wir denselben Standplatz auf einem  kleinen Parkareal direkt an der Uferpromenade wie vor zwei Jahren. Aber was soll das jetzt …. man hat uns unsere Wiese einfach weggeschremmt und einen gatschigen Erdplatz mit Löchern hinterlassen. Da sind wir jetzt gar nicht einverstanden und bitten um Besserung!