Holperpisten und alte Gewässer

 

Korce gehört durchaus zu den charmanten Städten Albaniens – nennen die Albaner es nicht gerne auch das „Kleine Paris Albaniens“. Nun gut, die Avenue des Champs-Elysèes wird man hier vergeblich suchen, doch es gibt eine große Fußgängerzone mit Häusern aus der Gründerzeit und ein charmantes osmanisches Viertel. Ein guter Platz für einen Kaffee – der übrigens ausnahmslos hervorragend in Albanien schmeckt!

 

Wir wandeln weiter auf prähistorischen Spuren – diesmal aber begeben wir uns aufs Wasser. Die beiden Prespa-Seen und der Ohrid-See im Grenzgebiet zwischen Albanien und Mazedonien gehören nach dem Baikal-See zu den ältesten, bereits im Tertiär entstandenen, stehenden Gewässern der Erde. Wir nächtigen am Seeufer des großen Prespa-Sees, quasi umzingelt von mindestens zehn Eseln, und morgens wecken uns Kühe, die sich an unserer Stiege kratzen. Hier herrscht ländliche Idylle pur.  In den Sommermonaten wird die Ecke von Urlaubern bevölkert, gibt es doch den berühmten Skarpi-Fisch frisch aus dem See. Und ja, er war ganz gut, der Fisch. Es ist ganz sicher nicht die charmanteste Gegend für den adriaverwöhnten Mitteleuropäer, aber durchaus interessant. Und hätten wir mehr Glück mit dem Wetter gehabt – abends gab`s einen richtigen Gewittersturm - dann wären auch die Ausblicke noch beeindruckender gewesen.

 

Nach einem kurzen Tankurlaub in Mazedonien – bei ca. 0,80 Euro/Liter zahlt sich das bei 500 Liter schon aus – kommen wir an den Ohrid-See und wählen denselben Standplatz auf einem  kleinen Parkareal direkt an der Uferpromenade wie vor zwei Jahren. Aber was soll das jetzt …. man hat uns unsere Wiese einfach weggeschremmt und einen gatschigen Erdplatz mit Löchern hinterlassen. Da sind wir jetzt aber not amused und bitten um Besserung!

 

Irgendwann muss aber schließlich wieder eine kleine Herausforderung her – wozu hätten wir sonst unser Auto! Also nochmal nachgesehen, ob auch wirklich jedes Kastl im Haus gut verschlossen ist, die Straßenkarten und Reiseführer aus den Überkopffächern lieber herausgenommen, schließlich würden sie uns nicht das erste Mal um die Ohren fliegen, und los geht`s ins „Gemüse“. Ich muss es einfach nochmal erwähnen, die Begrifflichkeit „kurze Etappe auf akzeptabler Straße“ ist in Albanien nun mal ein sehr dehnbarer Begriff. Also begeben wir uns auf diesen Abstecher auf einer alten Karawanenroute, passieren zwei osmanische Brücken und gelangen auf einer fürchterlichen Piste unglaublich steil bergauf  zu jener nur zu geringen Teilen ausgegrabenen illyrischen Stadt um die monumentalen Felsen-Grabkammern zu besichtigen. Der recht kurze Kommentar von Franz trifft es allerdings ganz gut: „Wir waren halt dort“. Somit war die Ausbeute nach ewig langem Grumpel nicht wirklich sehr groß. Der Gegenwert des verbrannten Diesels auf der Bergstrecke hätte allerdings gereicht um uns 2 Eintrittskarten im Louvre zu kaufen.  Und als ob die Rumpelei die einzige Offenbarung wirklich spannender Erkundungen sei, hüpfen wir weiter von einem Schlagloch ins nächste und wählen für unser Fortkommen nicht die Hauptroute, sondern eine unter Offroadfreunden hoch gepriesene Strecke im Osten Albaniens durch den Shebenik-Jabllanica-Nationalpark. Die Landschaft ist auch wirklich beeindruckend, die immer seltener werdenden Dörfer, je weiter uns die Straße nach oben führt, sind noch sehr ursprünglich, teils ganz aus Stein. Es ist eine grundsätzlich gute Schotterpiste, die eine wichtige Nord-Süd-Verbindung darstellt und sicherlich bald asphaltiert wird, aber derzeit eben noch nicht. Da haben wir es wieder – Ursprünglichkeit versus Komfort. Ja, was wollen wir nun? Ehrlich gesagt, wissen wir es auch nicht immer ganz genau. Die Verlockung ist groß, unsere Allradtauglichkeit mehr auszureizen, doch mit der Dauer einer Etappe tendiert dieses Bedürfnis dann doch  proportional nach unten. Das ist das ehrliche Fazit. Und schon etwas fahrmüde  machen wir einfach irgendwann Stop – diesmal wieder direkt neben dem Friedhof, da sind wir immer willkommen.

 

Am nächsten Morgen, die Nacht scheint alle Erinnerungen an die Holperpiste ausgelöscht zu haben, fahren wir weiter und übersehen dabei irgendwie die Anzahl der gefahrenen Kilometer, wählen zu kurze Pausen und sind einfach ewig am Kurbeln. Doch so kommt es dann auch, dass uns Leute in ihr Dorf winken - dort sei heute ein großes Fest. Also macht es ja doch Sinn,  etwas abseits unterwegs zu sein! Es ist kein Fest, es ist der Wochenmarkt, zu dem die Bauern der Umgebung ihre Waren feilbieten. Verständlich in dieser Gegend, dass man nicht für jede Karotte schnell mal zum Kaufmann runter ins Dorf fahren kann. Ein buntes Potpourri  zeigt sich uns - Gemüse, Kleidung, Hausrat und Werkzeug, lebende Tiere, die gleich vor Ort (und vor unseren Augen) geschlachtet werden, alles was es so braucht, um in diesen einsamen Dörfern überleben zu können. Viele Frauen kommen in ihren Trachten, das Meiste wird per Esel oder Pferd herangebracht. Ein sehr ursprünglicher Einblick in dieses Land, der uns da gewährt wird.

 

Die Gegend ist durchaus schön, es ist eine fruchtbare Region, Wein gedeiht an den Hängen und Landwirtschaft wird terrassenartig betrieben. Der Tag neigt sich dem Ende, wir sind müde, aber es will uns auch heute nicht so einfach gelingen, einen akzeptablen Standplatz für die Nacht zu finden. Eine letzte Zufluchtsstätte tut sich auf - am Grundstück eines Bauern. Wir sind willkommen und alles scheint zur Ruhe zu kommen. Am nächsten Morgen möchte man aber dann doch Geld – anders als vereinbart, das trübt die Stimmung dann doch etwas. Nun gut, wir zahlen auch den aus unserer Sicht stimmigen Beitrag.

 

Ich muss es zugeben, wir haben ein bisschen genug von schlechten Straßen, versuchen unsere nächsten Ziele auf schnellstem und komfortabelstem Wege zu erreichen. Wir  haben doch mehr einen „Reisewagen“ und das Fahren per se hat nicht oberste Priorität. Und so erreichen wir am nächsten Tag den Koman-Stausee. Auf Asphalt? Nein, weit gefehlt – die letzten 30 Kilometer rumpelt es wieder gewaltig im Gebälk. Aber die Fahrt war es wert. Der Stausee ist Teil eines riesigen von den Chinesen mitfinanzierten Energiegewinnungsprojektes. Wir parken Styros sicher im Kies und wählen für einen Tag die Fähre von Komani nach Fierza. Wir haben gutes Wetter und erleben eine beeindruckende Fahrt tief hinein in die Schlucht. Rechts und links steile Hänge mit Eschenwäldern, die Berge bis nach oben begrünt.  Nach jeder Biegung offenbart sich eine weitere faszinierende Spiegelung im Wasser. Früher war diese Fährverbindung mit anschließendem Bustransfer die schönste Möglichkeit um in der abgelegenen Bergwelt in den Kosovo zu kommen. Für uns eine schöne Abwechslung zum täglichen Autofahren.