Die skurrile Seite Indiens

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Mandir Mata Lal Devi

Grenzzeremonie Wagah

 

Amritsar – Dharamsala / Dharamkot (200 km) – Ambala (306 km) – Delhi (241 km)

 

Ja, Indien kann auch durchaus skurril sein, und das nicht nur ein bisschen! Da wäre mal der Mata Mandir Tempel in Amritsar. Er wurde zu Ehren Lal Devi, einer pakistanischen Brahmanin errichtet und gilt als Muttertempel. Es bitten also primär Frauen um Segen für ihre Kinder. Das wäre ja alles noch ganz normal. Wir betreten ein zuerst fast unscheinbares Haus und werden dann gleich eine Treppe nach oben gewiesen, in die „Lal Devi Grotte“ – und spätestens hier wird es skurril. Da oben kommen wir uns vor wie am Balkon einer Geisterbahn, bevor es richtig los geht. Zuerst robben wir auf Knien durch einen engen Tunnel, dann geht es über verschlungene Wege Treppen rauf und runter, knöcheltief durch kleine Wassergräben, an unzähligen Schreinen mit Göttern vorbei, weiter von einem Raum in den nächsten. Wir kommen aus dem Staunen und v.a. Schmunzeln nicht heraus und wähnen uns in einem kleinen DisneylandJ. Wie in einem Spiegelkabinett versuchen uns die Wände in die Irre zu führen, wieder kommt ein Tunnel, dann der Eintritt ist ein riesiges Fischmaul und am Ende spuckt uns der Mund einer Löwengöttin wieder aus. Alles ist bunt und die Götterfiguren völlig überzeichnet. Und immer wieder Darstellungen jener weisen Heiligen mit runder Nickelbrille, der dieser Tempel gewidmet ist. Und erst wenn man all die Wege abgelaufen, all die Treppen auf- und abgeklettert sind, man gestaunt und nicht selten gelacht hat, dann erst kommt man ganz ins heilige Innerste und steht nochmal einer Mata Devi gegenüber! Und dann geht’s flugs durch eine Tür hinaus und der ganze Spuk ist vorbei. Und wer will, kann gleich zu noch eine Runde starten…..

Die nächste Skurrilität ist eine völlig andere….aber nicht minder sehenswert. Ein Schauspiel der ganz besonderen Art. Mit der Unabhängigkeit 1947 teilte sich das ehemalige Britisch-Indien in das heutige Indien und Pakistan. Aufgrund immer wieder aufflammender Schwierigkeiten ist die Militärpräsenz entlang der Grenze groß, die Beziehungen sind schwierig und eskalierten in der Vergangenheit immer wieder. Umso absurder erscheint das Schauspiel, das sich am einzigen gemeinsamen Grenzübergang zwischen beiden Ländern abspielt, in Wagah, zwischen Amritsar und Lahore. Das Stadium um das große Grenztor füllt sich langsam aber stetig, v.a. auf der indischen Seite, die Ränge in Pakistan bleiben bis zuletzt spärlich gefüllt. Ausländische Gäste bekommen spezielle Plätze auf Sesseln zugewiesen, die große Menge sitzt auf Steinstufen. Popcorn und Getränke werden verkauft, wie bei einem großen Sportevent. Es ist Jahrmarktstimmung, indische Fahnen werden geschwungen, indische Flaggenfarben leuchten auf Wangen, Händen und Stirn und die Stimmung wird immer aufgeheizter. Dafür sorgt v.a. ein in voller Kampfmontur (ver-)ge-kleideter Soldat in der Mitte der Arena. Bewaffnet mit Mikrofon motiviert er die Menge lautstark zu klatschen, Parolen zu singen und zu jubeln. Auf der anderen Seite – der pakistanischen – passiert zwar Ähnliches, aber mit viel mehr Zurückhaltung. Fahnenschwingende Frauen drehen in der Arena ihre Runden, dazu immer wieder ohrenbetäubende Musik aus den Lautsprechern. Und dann marschieren die Soldaten ein, rausgeputzt wie Pfauen „schlagen sie ihr Rad“. Im Stechschritt marschieren sie nach vorne in Richtung Tor, die Beine immer wieder bis zur Nasenspitze nach oben schleudernd. Unglaublich, dass sie dabei keinen Abgang nach hinten machen. Und dann, dem Feind quasi schon ganz nahe, werden Drohgebärden gezeigt. Arme werden zum Kampf auffordernd in die Höhe geworfen, der Bizeps gefährlich angespannt, der Blick noch grimmiger. Die Pakistanis tun es ihnen gleich und so nähern sie sich einander an, ein synchrones Comedy-Kräftemessen. Und dann geht das Tor auf, Paukenschläge durchdringen die Luft, die Menge johlt. Noch einmal eine Drohgebärde ganz nah beieinander. Und dann werden die Flaggen beider Länder runter gelassen, wobei die Kontrahenten peinlichst genau darauf achten, dass die eigene Fahne ja nie tiefer hängt als die des ungeliebten Nachbarn. Am Ende der Zeremonie werden die Grenztore von beiden Seiten wieder geschlossen – oder besser mit großem Brimborium zugeschmettert. Das war`s dann ….. bis zum nächsten Nachmittag: Every day, same time, same procedure!

Dharamsala war eher eine Enttäuschung für uns. Unsere Erwartungen, nun noch einmal tief in eine tibetische Enklave einzutauchen, haben sich nicht bewahrheitet. Tibetisch ist eigentlich gar nichts hier, und das Domizil des Dalai Lama entpuppt sich ebenfalls als schmuckloser, moderner Tempelbau. Das Wetter war mehr als bescheiden, mit Regenstunden jeden Tag, was den Gatsch in den engen Gassen nur noch potenziert hat und den ganzen Dreck, der hier wirklich zu Hauf in jeder Ecke lagert, noch mehr zum Stinken bringt. Die wirklich extrem engen Gassen winden sich den Hang hinauf und ein aberwitziges Einbahnsystem, das einfach nur manchmal eines ist, treibt mir Schweißtropfen auf die Stirn. Die Natur ist üppig grün, was viele indische Touristen hierher zieht, um dem Staub der Städte in der Ebene zu entfliehen. In diesem Kontext schon verständlich, aber uns hat es trotzdem nicht überzeugt. Dharamkot jedoch ist bekannt als Hippi-Spot und man findet Yogaschulen an jeder Ecke. Viele beschreiben den „Vibe“ hier als etwas Außergewöhnliches – „a mix of some magic, pure spiritual energy, happiness and peace“. Das mag durchaus so sein – auf uns ist diese Magie nicht so ganz übergesprungen. Und Christian ist für derartige „vibrations“ ohnedies völlig immun J.

 

Und bevor uns weitere Regenfälle noch den Weg zurück nach Delhi versperren – so geschehen nämlich vor ca. fünf Wochen – treten auch wir lieber den Rückweg an und machen uns auf zu unserer letzten Station – in zwei Tagen und 12 Stunden Fahrzeit im Schüttregen nach Delhi.

Mata Madir Tempel

Grenzzeremonie Pakistan Indien bei Wagah

Dharamsala und Umgebung