Fast am Ende der Welt

-

Tso Moriri  und Hanle Monastery

Tsokar – Tsomoriri (90 km) – Hanle (150 km)

 

Wir starten wie üblich recht früh vom Tsokar. Ein letzter Blick vom Kloster hoch oben zeigt nochmal die Ärmlichkeit des Dorfes Thukje. Der See in der Morgenstimmung ist hingegen grandios und besticht durch sein Farbenspiel. Bereits wenige Kilometer später treffen wir auf Nomaden. Ihr freundliches Lächeln als Antwort auf unser Namaste ermutigt uns, auf sie zuzugehen. Gleich wird eine junge Frau herbeigerufen, die Englisch spricht und man erzählt uns, dass morgen hier ein Fest stattfinden wird. Wir müssen trotzdem weiter. Kinder laufen zusammen, über Abwechslung freuen gerade sie sich am meisten. Die Erwachsenen sind freundlich, lassen sich ein paar Fragen über unsere Reise ins Englische übersetzen und wirken ansonsten gelassen und zufrieden mit ihrem Dasein. Eine überaus friedliche Szenerie. Wie immer haben es mir die Esel angetan, die mir die Kinder auch gleich voller Stolz präsentieren. Unser Tag hat also bereits hervorragend begonnen!

Weiter geht es über den 4946 m hohen Pologongka La auf unserer Fahrt zum Tsomoriri. Mehr und mehr wandelt sich die Gegend. Ein grüner Flaum überzieht den Boden und wir sehen immer wieder Hirten mit ihren Herden ziehen. Auch die typischen tibetischen Wildpferde erfreuen uns mit ihrem Dasein.

Bei Sumdo biegen wir nach Süden ab, vorbei am Kyagar Tso, unserem Tagesziel wieder ein Stück näher. Die ganze Fahrt ist wirklich schön, aber genauso anstrengend. Und speziell die letzten Kilometer bis nach Korzok am See erinnern uns wieder an eine Fahrt in der Geisterbahn, so schüttelt es uns nach links und rechts, wenn unser Scorpio von einem Loch ins nächste torkelt, Wasserdurchfahrt und Sandpassage inklusive. Zu unserem Erstaunen stellen wir fest, dass alle größeren, vermeintlich auch besseren, Unterkünfte in Korzok ziemlich ausgebucht sind. Es zieht nicht nur viele Motorradfahrer hierher, sondern auch viele indische Touristen, die per Taxi oder Kleinbus für einen Kurztrip von Leh kommen. Nachdem ich mich dennoch für die etwas komfortablere Unterkunft entscheide, müssen wir nach einem Tag umziehen und sind zumindest mit unserem zweiten Quartier durchaus zufrieden. Nachwievor ist alles hier einfach – ob teurer oder günstiger, ob das Essen oder die Unterkunft – die Menschen selbst leben sehr spartanisch. So bleibt es auch dieser Tage bei einer „Dusche“ aus dem Bucket und bei Reis, Linsen, Chapati und Tee im „Happiness Restaurant“. Sehr liebenswert ist der Besuch der „Outdoor-Schule“ auf der Wiese nahe dem See. Lehrer verbringen während ihres Studiums in Leh meist einige Monate hier, um Kinder zu unterrichten und gleichzeitig Erfahrungen zu sammeln.

Christian kann sich noch an seinen Aufenthalt vor ca. 20 Jahren erinnern, bei dem der Chörtenweg hoch über dem Dorf noch isoliert dagestanden hat. Heute ist alles irgendwie von Wohnhäusern (kleinen gemauerten, stallähnlichen Unterkünften) durchwachsen. Übrig bleibt wieder ein über die Maßen staubiges, großbaustellenähnliches Dorf mit wenigen Dhabas (kleinen Gaststätten) und Miniläden. Als wirklich schön kann man lediglich den Blick auf den glasklaren Tsomoriri nennen. Der See liegt auf 4520 m Höhe in einer fast vegetationslosen Mondlandschaft und besticht durch sein kontrastreiches Farbenspiel. Das ist auch der Grund, weshalb es die Menschen hierher zieht. So wie allerorts treffen sich dann alle zum Sonnenuntergang an jenem exponierten Platz über dem See, von wo aus er am besten zu genießen ist. Es ist immer dasselbe faszinierende Schauspiel – die Sonne beleuchtet magisch, was hier bald in der Kälte der Dämmerung verschwinden wird. Und wenn sie dann vollends untergegangen ist, wird es rasch wirklich kalt. Strom gibt es von 19.00-23.00 Uhr und auch da  fällt er ständig aus. Danach rattert nur noch vereinzelt ein Generator da und dort und der Ort liegt schon längst im Dunkeln.

Vom scheinbaren „Ende der Welt“ geht es nach zwei Tagen weiter nach Hanle. Das Kloster, bis vor Kurzem für Ausländer noch Sperrzone, ist schon seit langem ein Traum von Christian. Umso schöner, dass wir tatsächlich auch ein Permit für diese abgelegene Region so nahe an der chinesischen Grenze bekommen haben. Den letzten Abschnitt holpriger Geisterbahnstrecke vom Tsomoriri müssen wir leider nochmal zurückfahren, um dann auf nigelnagelneuen Asphalt zu stoßen. An der Mahe-Bridge ist ein Kontrollposten, der unser Permit für Hanle kontrolliert. Na ja, in seinem dunklen Zelt studiert er lange unseren Zettel, lässt sich von Christian einige Dinge daraus vorlesen und notiert dann die Visa-Nr. und schreibt dazu „Christian“ – das war`s. Dann folgt ein perfekter Abschnitt Asphalt und bald zeigt sich auch, weshalb! Wir passieren unzählige Militärcamps, eigentlich zum Fürchten, so groß. Ein Militär-LKW nach dem anderen rollt an uns vorbei. Die Straße immer wieder unterbrochen von sogenannten „Tank-Crossings“, also von verstärkten Übergängen für Panzerfahrzeuge. Die Angst davor, China könnte wieder versuchen, einen Teil der Region zu annektieren, ist groß. Die Bewaffnung und gesamte militärische Infrastruktur daher enorm. Nicht noch einmal möchte Indien so unvorbereitet dastehen, wie einst in den Neunzigern.

 

Kurz vor Hanle gibt es nochmal einen Kontrollposten und dann erreichen wir den kleinen Ort, scheinbar wieder mal „am Ende der Straße“. Auch hier ist unsere Verwunderung wieder nicht schlecht, als wir bemerken, dass wirklich viele Guesthäuser ausgebucht sind. Wir finden dennoch eines – ein wirklich nettes, in einem ausgesprochen gut geführten Familienbetrieb. Vier Zimmer (am Ende auch alle ausgebucht), ein Aufenthaltsraum, ein Gastraum, Abendessen und Frühstück inklusive und alles ungewöhnlich sauber. Wir fühlen uns richtig wohl hier in den zwei Tagen. Einziges Manko – die Türen sind für uns beide zu niedrig! Das erfordert also eine kleine Bückbewegung beim Durchtritt durch den Türrahmen. Man kann das gleich beim ersten Mal ganz leicht erkennen, oder man kann es wiederholt schmerzhaft erfahren – so wie Christian! Die Beule ist groß, das Gezeter laut – und abgeschlossen ist dieser Lernprozess, so bedaure ich, noch länger nicht (dauert er doch schon seit Beginn unserer Reise hier in Ladakh an!).

 

Das Kloster selbst liegt etwas außerhalb, thront hoch oben am Berg und hat beträchtliche Ausmaße. Die Besichtigung innen beschränkt sich allerdings leider auf einen kleinen Gebetsraum, der zwar alt und schön ist, aber man ist damit auch ganz schnell fertig. Somit bleibt nur der wirklich herrliche Anblick von außen vor der beeindruckenden Bergkulisse in unterschiedlichsten Brauntönen. Eine kleine Hürde gilt es zu überwinden…. genau genommen gilt unser Permit nämlich nur für einen Tagesausflug nach Hanle, nicht für die Nächtigung im Ort. Warum, das darf man sich fragen??!? Die Lösung des Problems ist eine andere Geschichte – wie auch immer, wir haben es gelöstJ. Was wäre uns doch auch alles entgangen, wenn wir am selben Tag wieder abreisen hätten müssen!