Und oft kommt alles ganz anders...

 Unser Plan war es, Südanatolien zu bereisen. Städte wie Sanlurfa und Gaziantep wären unser Ziel gewesen. Auch Hasankeyf, die Stadt am Tigris, stand auf der Agenda.  Aus all dem wird jetzt nichts, weil einige Machthaber auf dieser Erde einfach keinen Frieden geben können. Das einstige Bilderbuchstädtchen Hasankeyf werden wir demnach nie mehr sehen können. Die Stadt ist leider dem Untergang geweiht und besteht ohnedies nur noch zu einem Teil. Bald aber wird der riesige Staudamm auch den verbliebenen Rest überflutet haben und die Menschen werden in ihrem „neuen Hasankeyf“ leben. Sehr schade. Ja, der Süden der Türkei, das Kurdengebiet, ist derzeit als Reisedestination nicht unbedingt zu empfehlen. Die Amerikaner, als Schutzmacht der Kurden, haben Syrien verlassen. Die Türkei ist mit ihren Truppen über die syrische Grenze vorgedrungen und bombardiert kurdische Einrichtungen. Tausende Menschen sind wieder auf der Flucht. Es ist wirklich verrückt. Die Kurden, sie müssen vor den Türken fliehen und sich mit Assad, dem vormaligen Feind, arrangieren. Niemand weiß, wohin das führen wird. Ich erstelle auch keine politischen Analysen, halte nur fest. Beim Lesen dieser Geschichte kann ohnedies schon wieder alles anders sein. Wir weichen dieser Grenzregion auf jeden Fall aus. Wir fürchten uns nicht wirklich vor Anschlägen oder Kriegsoffensiven, das alles spielt sich eher in Syrien ab. Aber die Polizeipräsenz, die im Osten des Landes ohnedies stärker ist, wird unter diesen Umständen bestimmt noch größer sein. Und diese ständigen Kontrollen wollen wir uns ersparen. Mal sehen, was die nächsten Wochen noch so bringen werden.

 

Also wir noch am Beginn unserer Reiseplanung waren, also wirklich noch ganz am Anfang, als noch gar nicht ganz klar war, sollen wir zuerst nach Afrika oder zuerst in den Nahen Osten, da erschien uns die jetzige Route als politisch einfacher als Afrika. Jetzt, seit wir auf dem Weg sind, gibt es nun schon den zweiten Krisenherd in der Region. In der Straße von Hormus eskaliert der Streit zwischen USA, Europa und Iran. Und ja, über diese Meerenge wollen wir schließlich drüber. Und an der türkisch-syrischen-Grenze kämpfen die Nachbarstaaten gegeneinander, weil der türkische Präsident darin die Lösung „seines“ Kurdenproblems sieht. Oder weil er auch nur einem bestimmten Wählerklientel jetzt vor den bevorstehenden Wahlen gefallen möchte.

 

Es ist alles mit allem und jeder mit jedem mittlerweile so sehr verflochten, so viele gegenseitige Verpflichtungen, übergeordnete Wirtschaftsbande, kein Konflikt kann mehr isoliert betrachtet werden. Wenn man so viel unterwegs ist wie wir, und auch viele Freunde hat, die eben irgendwo anders auf diesem Erdball unterwegs sind oder leben, dann rücken diese Kriegs- und Unruheherde noch ein Stück näher, als wenn man sie nur ab und zu in den Nachrichten zu Hause vor dem Fernseher sieht. Irgendjemand ist immer irgendwo, wo es wieder kriselt. Wir leben in Österreich auf so sicherem und ruhigem Boden, wie auf einem sehr fernen Planeten. Aber manchmal kommt mir der Gedanke, diese Tatsache könnte sich heute rascher verändern, als dies mal war. Eben durch diese internationalen Verstrickungen könnten sich Machtverhältnisse ganz unerwartet verschieben. In den Hinterzimmern der Machthaber wird sicher eifrig verhandelt, dort werden die eigentlichen Pläne geschmiedet, fern unserer offensichtlichen Wahrnehmung. Aber was hilft es den Menschen, deren Häuser beschossen werden, was hilft es den Familien, die vertrieben werden, was hilft es uns, wenn wir unverhofft in so eine Situation geraten würden. Also, manchmal drängt sich mir der Gedanke auf, diese Welt würde immer kleiner für mich werden, weil ich so viele ihrer Ecken nicht mehr besuchen kann oder möchte.

 

Aber noch sind wir on tour, noch genießen wie diese Türkei mit ihren Schönheiten und freundlichen Menschen. Doch wir bleiben wachsam, verändern Tourenpläne und sind auch schon mal lieber zurückhaltend als unvorsichtig und übermutig.