Über den Wolken

Die Nacht war nicht gut . Wir versuchen auf schmalen Holzpritschen bei Temperaturen deutlich unter dem Gefrierpunkt irgendwie ein Auge zuzumachen . Nicht so einfach auf über 5000 Meter , der Körper lässt sich nicht beschummeln und versucht Sauerstoff zu bekommen. Immer wieder leichte Erstickungsanfälle wo man plötzlich das Gefühl bekommt keine Luft mehr zu bekommen . Auch gelingt es mir in dieser Nacht 6 x zur Toilette zu müssen. Inzwischen bin ich auf die Idee einer Pinkelflasche gekommen , aber auch die war irgend einmal voll und ich musste nach draußen. Elke hat da sowieso keine Option - die Arme . Die Nacht ist sternklar und die Luft klirrt – irgend etwas um die – 25 Grad. Leichter Nebel über dem See, die Gletscher vom Mondlicht beleuchtet. 4 x in dieser Nacht hören wir dumpfes Grollen – Lawinen gehen ab . Die Szenerie um uns zeigt deutlich wie lebensfeindlich diese Umgebung ist und wie klein und winzig der Mensch.

Nach dieser unendlich langen Nacht ( ich glaube ich habe kein Auge zugetan ) ist um 05 00 Uhr Tagwache. Man sieht nichts raus , die Fenster sind zugefroren . Wir haben sowieso in voller Montur geschlafen und ziehen nur mehr Hose und Daunenjacke drüber . Ein kurzes Frühstück und es geht los zu unserer Königsetappe über den East- dann den Mesokantopass über das Tilichoplateau auf 5000 Meter Höhe runter nach Jomosom . Dass es lange und anstrengend werden wird war uns klar , aber dass wir am Ende des Tages 30,5  Streckenkilometer ( viele davon auf 5000 Meter Höhe ) , ca. 700 Meter Aufstieg  mit dem höchsten Punkt auf 5380 Meter und dann ca. 3600 !!! Meter  Abstieg und 12 Gehstunden in den Beinen haben werden haben wir dann doch etwas unterschätzt .

Es geht los bei Dunkelheit . Schon die ersten Schritte bergauf lassen uns wissen auf welcher Höhe wir sind . Die Lunge ist bestrebt Sauerstoff zu organisieren , aber die Kälte lässt uns vorsichtig sein , zu groß ist die Gefahr einer Lungenentzündung oder Bronchitis – hatten wir alles schon . Als es zu dämmern beginnt werden die Bergspitzen von der Sonne zart angeleuchtet und verzaubern die Landschaft um uns . Immer noch leichter Nebel über dem See , ein paar Wolken am Himmel die zartrosa strahlen , der dunkle See unter uns. Aber immer weniger gelingt es die Szenerie zu bewundern  alle Energie wird aufgewendet um aufzusteigen . Das Herz rast , die Lunge versucht die wenigen Sauerstoffmoleküle zu erhaschen und man hat das Gefühl sie möchte aus der Brust heraus und sich umstülpen . Arme und Beine werden unglaublich schwer und es scheint unmöglich die Passhöhe zu erreichen. Zuerst macht Elke schlapp , etwas später ich . Elke hat vom Homöopathen Coca Globuli bekommen die sie schluckt . Scheint tatsächlich zu wirken – so gedopt geht es ihr etwas besser und sie kommt ganz gut voran. Bei mir sieht´ s diesmal anders aus – zwischendurch glaube ich es geht nicht mehr . Schritt für Schritt kämpfen wir uns hoch . Das Gelände macht zu schaffen , feiner Schotter mit unglaublich viel Staub belastet jeden Atemzug noch mehr , wir versuchen mit einem Tuch vor dem Mund einerseits den Staub etwas abzuhalten , andererseits die Luft etwas vorzuwärmen . Nur das Tuch behindert wieder die Sauerstoffaufnahme und es wird noch schwerer. Irgendwann sind wir oben – keine Euphorie , es bläst  ein eisiger Wind und der Blick zum nächsten Pass motiviert auch nicht . Wir müssen wieder ca. 200 Meter runter und drüben wieder rauf . So wird es an diesem Tag noch einige Male gehen . Immer wieder glaubt man jetzt ist man endlich oben – leider nicht . Nach 5 !! Stunden haben wir endlich den See umrundet und wir kommen auf das Tilichoplateu . Es gibt keinen Weg und wir stolpern über grobe Geröllfelder – eine sehr ermüdende Angelegenheit . Inzwischen ist es Mittag aber wir sind so erschöpft dass wir nicht essen können oder möchten . Weiter geht es … Irgend wann sind wir dann doch am Mesokantopass und es geht steil bergab . Jeder Schritt muss sitzen , grobes Geröll , teilweise vereist . Unter uns ein unglaublich tiefes Tal , wir stehen über den Wolken und dem aufziehenden Nebel . Stundenlang geht es nun bergab immer wieder mit kleinen Strecken bergauf . Runter geht es ganz gut aber für bergauf fehlt einfach die Energie . Schlussendlich stolpern wir mehr als wir gehen – es geht 3600 Meter hinunter , das ist mehr als der Dachstein , aber nicht bis Schladming sondern bis auf Meeresniveau . Wir kommen bei Dunkelheit in Jomosom an , suchen eine Unterkunft – es war uns egal was – Bedingung war eine heiße Dusche , keine lauwarme oder sonst was – eine heiße!!! . So etwas hatten wir seit 10 Tagen nicht .Wir selbst und alles Gewand ist unglaublich verdreckt . Es graust uns vor uns selbst. Eine Mischung aus Staub und Schweiß klebt seit Tagen an uns .  In der ersten Unterkunft hieß es „ hot water ?? In a few hours – maybe !!! „ – also weiter . Aber dann werden wir fündig : Ein Teahouse mit einer grob gemauerten Toilette – aber darin ein Gasdurchlauferhitzer . Ich drehe auf , das Wasser rinnt , die Flamme springt an und es wird warm – dann heiß – alles dampft . Wir bleiben und geben uns einer Duschorgie hin. Wir waschen uns die Haare – was für ein Luxus .  Damit kehren auch die Lebensgeister wieder . Hunger kommt auf , wir haben bisher nichts gegessen – zu groß war die Erschöpfung – kein Hungergefühl . Der Tag endet mit einem guten Hühnergericht und einer Flasche Bier . Zwischendurch hatten wir uns immer wieder die Frage gestellt : Warum tun wir uns das an ? Haben wir unsere Empfindungen vom Everest schon vergessen ? Wir wissen es nicht . Momentan müssen wir nicht mehr auf über 5000 Meter – zu feindlich und bedrohlich . Aber bestimmt werden wir uns nach einiger Zeit wieder danach sehnen . Zu tief und großartig sind die Empfindungen und auch das Gefühl es geschafft zu haben . Jetzt bleiben wir erstmal einige Tage im Kali Gandaki Tal bevor es zu unserem nächsten Ziel , dem Poon Hill geht – diesmal aber nur mehr knapp über 4000 Meter .