Ushguli

-

In den Bergen, dem Himmel so nah 

 

Der nächste Pass wartet auf uns – der Zagari-Pass auf 2.630m. Wir brauchen letztlich sechs Stunden bis wir oben sind, und es ist durchaus mühsam. Nicht wirklich schwierig, aber fährt man anfangs noch auf Asphalt wandelt sich die Strecke bald in eine einzige Baustelle. Unglaublich staubig, zerrissen, wieder geflickt, abschnittsweise neu betoniert, und so wechselt man zwischen grobem Geröll, Matsch und Staub – und uns beutelt es wieder mal wie in der Geisterbahn. Kurz, wir sind froh, oben zu sein und finden einen herrlichen Platz auf einer Wiese mit Blick auf den Schchara-Gletscher. Unsere Müdigkeit wird also groß belohnt! Der Schchara ist mit 5201m der höchste Berg Georgiens und der dritthöchste des Großen Kaukasus, der die Grenze zu Russland bildet. Fast unerwartet stoßen bald darauf wieder Niko und Daniela zu uns und wir genießen gemeinsam diesen wunderbaren Platz.

Tags darauf gibt es geteiltes Programm. Ich wandere mit Daniela an den Fuß des Gletschers und Christian und Niko fahren mit dem Toyota offroad über die Berge. Der Blick über den großen Kaukasus und somit auch die Fotos, die sie mit zurück bringen, sind herrlich. Abgesehen davon machen beide einen etwas geräderten Eindruck! So ganz ohne unsere „Kontrolle“ gab es kurz davor noch eine Riesenpizza und dazu Schnaps! – Das haben sie nun davon – der Germteig geht auf und der Schnaps direkt ins Hirn J.

Unsere kleine 3Std-Wanderung war gerade richtig, um sich ein bisschen die Beine zu vertreten. Der Weg zum Gletscher führt durch ein kleines Birkenwäldchen mit noch allerhand anderen Pflanzen, die aufgrund der Feuchtigkeit einfach viel größer und  üppiger gedeihen, als bei uns. Fast wie eine Tropenlandschaft in den Bergen, erscheint es mir. Der Gletscher selbst ist ein grauer Koloss, der uns seine Abbruchkante zeigt. Mächtig, fast bedrohlich – v.a. als dann auch noch Einiges an Geröll nach unten donnert und im Fluss versinkt, wird uns die Kraft dieser Wassermassen bewusst. In der Folge drängen diese als milchiges Gletscherwasser weiter ins Tal. Und als sich zwischendurch die Wolkendecke lüftet, strahlen die weißen Flanken des Schcharas wie triumphierende Türme eines Siegers zu uns.

Am nächsten Tag ist absolutes Kaiserwetter. Wir bekommen vom Hüttenwirt den Tipp einer Wanderung zu 2 Gletscherseen. Diesmal zu Viert. Es geht direkt vom LKW los, entlang des Gletscherflusses in Richtung russischer Grenze. Die Schönheit der Landschaft beeindruckt uns total. Wir wandern durch die bunte Blumenpracht, die Gletscher ständig im Blick vor uns. Und wieder sind alle Pflanzen riesig, bis zur Hüfte „stecken“ wir im Blütenmeer. Abends kommen wieder Pierre und Bernadette mit ihrer Casa Verde dazu, und auch noch Simon und Anna mit den beiden Kindern. So werden am Lagerfeuer wieder Geschichten und Erfahrungen ausgetauscht und wir sind eine rundum zufriedene Reise-Großfamilie.

Schon die ganzen Tage hier in den Bergen, v.a. aber hier in Usghuli begleiten uns viele Owtscharkas – riesige Kaukasische Schäferhunde. Der eine oder andere Mischling mag dabei sein, aber allesamt sind sie überaus friedlich, suchen ständig unsere Nähe und wollen gestreichelt werden. Bekannt als verlässliche und ausgezeichnete Hütehunde russischer Herkunft, sind sie hier leider oft „arbeitslos“ und aus diesem Grund auch nicht gut versorgt, teilweise also abgemagert und auch krank. Für uns Tierfreunde oft ganz schrecklich, da wir sie ja unmöglich alle retten können. Aber immer sind sie rund um uns und eines der Riesenviecher schläft immer unter unserem Auto und verteidigt uns vor aberwitzigen Rindern, die uns zu nahe kommen. Die Rindsviecher sind uns nämlich nicht ganz geheuer, schlecken auf der Suche nach Salz ständig unsere Campingsessel ab, schlappern an den Crocks (pfui teifl) oder zerfledern den Müllsack von der Heckplattform. Aber ja, wir sind hier voll in der Natur, umringt von Hunden, Rindern und vielen freilaufenden Pferden.

Einmal setzen wir uns um – auf wieder einen herrlichen Stellplatz, dem Dorf aber etwas näher, damit wir all die alten Wehrtürme umwandern können. Dort treffen wir auch noch auf Markus und seine Frau, sowie auf vier weitere Reisende, von denen wir schon vor Tagen gehört haben. Also die Reisewelt hier in Georgien ist klein, man „trifft sich nicht nur zweimal“. Einem wieder mal wunderbaren Abend am Lagerfeuer steht also nichts im Wege. Das Feuer und eine warme Decke kann man aber schon gut gebrauchen, es hat nachts nur noch 3 Grad.

Wenn der Begriff Natur irgendwo seine Heimat findet, dann ganz bestimmt auch hier. Ushguli selbst zählt durchaus zu den Touristenmagneten, also wandern, reiten und fahren doch viele hierher. Doch der Mensch wirkt dennoch klein und schmächtig inmitten dieser gewaltigen Kulisse – einfach nur herrlich!