Hong Kong - duftender Hafen

 

Es ist bereits dunkel, als wir in Hongkong ankommen. Mir kommt es vor, als ob sich der Himmel nach unten verkehrt hätte. Ich blicke aus dem Flugzeug und unter uns tiefschwarze Nacht, geschmückt mit einer Hundertschaft tanzender Sterne. Doch nein, es sind die beleuchteten Fischerboote, die diesen Tanz vollführen -  wie Sterne am Firmament, nur eben unter uns. Der Anflug ist sicher nicht mehr so spektakulär wie einst, als man noch quasi mitten in der Stadt zwischen den Wolkenkratzern gelandet ist – Christian kennt ja noch den alten Kai Tak-Airport. Also wenn auch nicht mehr so spektakulär, dann aber trotzdem schön.

 

Hongkong empfängt uns am nächsten Morgen leider mit dichtem Nebel, und diese graue Suppe sollte sich auch in den darauffolgenden Tagen nicht mehr lichten. Was soll`s, daran können wir nichts ändern. Also nichts wie rein… Hongkong ist keine Schönheit, wahrlich nicht, aber sie nimmt einen dennoch gefangen. Die Bevölkerungsdichte erschlägt uns  fast. Wir setzten einen Fuß vors Hotel, schon stehen wir inmitten einer Traube von Menschen. Und kaum springt das Männchen an der Ampel auf grün, setzt sich die ganze Masse unisono  in Bewegung. Nur nicht stehen bleiben, lautet die Devise. Dennoch läuft es im Allgemeinen ruhig und gesittet ab, niemand drängelt und die meisten sind freundlich und hilfsbereit. Aber ganz wichtig, eben immer in Fluss zu bleiben, sonst läuft garantiert jemand auf! Der Blick des typischen Hongkong-Chinesen ist ca. 45 Grad nach unten gerichtet – auf sein Handydisplay. Diese Manie ist hier noch viel stärker ausgeprägt als bei uns, und es wundert einen, dass es dabei nicht ständig zu Zusammenstößen kommt. Wie mit einem perfekten Sonar ausgestattet, manövriert sich jeder durch die Masse. Also, wie fühlt sich diese Metropole nun so an? Tja… sehr spannend auf jeden Fall, aber auch extrem anstrengend!

 

Hongkong zählt zu den größten Containerhäfen Asiens – „duften“ tut hier allerdings nichts mehr. Der einstige Duft nach Weihrauch ist jenem nach Diesel und Kloake gewichen. Doch ohne Zweifel ist hier ein Wunderwerk an Logistik entstanden. Die Stadt wächst durch Landgewinn, den man dem Meer abringt. Diese Expansion wird spätestens dann klar, wenn man fast 500 Meter von der Küste entfernt am Hotel Harbourfront view vorbei kommt. Den Blick aufs Wasser hat dieses Haus sicher schon vor Jahren eingebüßt. Der Großraum Hongkong zählt 263 Inseln und platzt dennoch in seinen Zentren aus allen Nähten. Es musste unweigerlich alles in die Vertikale streben – die prägendste Dimension für das Stadtbild, stärker als in anderen Großstädten. Wolkenkratzer an Wolkenkratzer, sie stehen dicht beieinander wie Nadeln in einem Nadelkissen und man kann kaum die Wege zwischen ihnen hindurch erkennen. Und es wird weiter gebaut, ohne Unterlass. Die Stadt würde sich perfekt als Kulisse für den Film „Das fünfte Element“ eigenen – Bruce Willis manövriert sich da sicher ganz locker mit seinem Skymobil durch die Häuserschluchten. Wir hingegen latschen uns die Füße wund – die Distanzen sind immer größer als man vorab denkt. Das öffentliche Verkehrsnetz zählt aber zweifellos zu den besten. Wäre der Individualverkehr stärker ausgeprägt, würde die Stadt unweigerlich kollabieren. Am liebsten fahren wir mit den „Ding Dings“, jenen alten extrem schmalen Straßenbahnen, die sich durch das Häusermeer schlängeln. Auf dem schmalen Gleiskörper rumpelt es gewaltig wenn sich die kleine Doppeldeckerbahn um die Kurve schiebt. Wie in der Geisterbahn, wenn man zuerst das Gefühl hat, der Wagen fährt schnurstracks in die Wand und erst in allerletzter Sekunde lenkt er in die Kurve ein. Auch wundert es bei den alten Waggons, dass sie dabei nicht aus den Gleisen hüpfen. Aber es funktioniert alles – very britisch, very good. Die U-Bahnen, ( mit den charmanten Bezeichnungen MRT – mass rapid transport oder APM - automatic people mover ) , das Bussystem, die Wegweiser, automatisierter Check-in, Check-out, alles perfekt. Unzählige Tunnel schaffen elendslange Verbindungen unter dem Häusermeer hindurch, Foodbridges laufen über die großen achtspurigen Verbindungsstraßen drüber, Rolltreppen und Lifte  erleichtern die Distanzen und wenn Hongkong den Hang entlang ansteigt, kann man gleich 20 Minuten am Stück mit der Rolltreppe nach oben fahren. Wie gesagt, nur nie abrupt stehen bleiben, einfach weiter gehen.

 

Ja und wie isst es sich so in Hongkong? Geschmack ist ja bekanntlich etwas sehr Individuelles, und milde gesagt, wir haben hier nicht gerade unser geschmackliches Shangri-La gefunden. Die kantonesische Küche bietet schon wirklich viel – die guten Leute essen alles das Füße hat und kein Tisch ist - aber was machen die Chinesen nur daraus?????? Man muss natürlich Dim Sum  gekostet haben, und die sind auch nicht schlecht. Richtig kunstvoll verpacken sie alles Mögliche und Unmögliche in kleine Teigtaschen, die dann im Bambuskorb gedämpft werden. Darin liegt vielleicht auch unser Problem – es wird einfach alles gedämpft…. Fisch, Gemüse und auch Fleisch. Oder es verschwindet alles in einer glibberigen Suppe. Ja ich weiß schon, alle Freunde der chinesischen Küche strafen mich jetzt eine Lügnerin und Banausin. Ganz bestimmt gibt es Köstlichkeiten, die wir noch gar nicht entdeckt haben.  

 

Aber was die lokalen Märkte so herzeigen und was in den typischen kleinen Restaurants so aufgetischt wird, bleibt am Ende doch steamed, glibberig und nach getrocknetem Fisch „duftend“. An den Verkaufsständen sieht man zu Unmengen Rinds- und Schweinedärme, Schweinszungen und –ohren, nicht zu vergessen die ausgekochten Hühnerklauen.

 

Es gibt daneben auch wirklich nichts, was aus dem Meer kommt  und der Chinese nicht auch auf seinen Teller bringen würde. Von  der getrockneten Seegurke über ausgekochte Tintenfischhaut bis zu anderen bizarren Köstlichkeiten, wie den entzückenden Abalones – den bis zu drei Kilogramm schweren Blasenschnecken. Sie sind auf dem Weltmarkt ansonsten nirgends zu bekommen, da China alle Kontingente aufkauft.

 

Und dann gibt es ja noch die Vogelnester der asiatischen Mauersegler, die als wahre Delikatesse verkauft werden – das Kilo bis zu US$ 4000,-. Die besten sind noch nicht mit Kot vermengt, sondern bestehen nur aus reinster Spucke, aus eiweißreichem zähen Speichel! Das Nest schmeckt angeblich nach nichts, die kräftigende Wirkung für das Immunsystem sowie eine die Libido steigernde Wirkung konnte nicht nachgewiesen werden. Aber wer weiß, es könnte ja sein. Die Nester kommen in die Suppe, wo sie  sich dann auflösen und leicht gelieren. Da haben wir es wieder –  es muss glibbern! Kaviar des Ostens nennt man diesen delikaten Spucknapf. Verzeiht mir, liebe Fans der chinesischen Küche, aber wer bitte isst denn Vogelnester??? Das aus Spucke  gezimmerte Eigenheim eines Mauerseglers? Das ist schon irgendwie abartig, oder nicht?

 

So kam es dann also nicht nur einmal vor, dass wir uns einen Inder suchten und gar köstlich speisten. Ende gut, alles gut…..