Kalar Patar - die Herausforderung

Kalar Patar - Herausforderung auf 5634 m Höhe

 

Wir sind auf 5200 m Höhe angelangt und man kann sagen – es ist kein Spaziergang mehr. Wir haben die „Wohlfühlzone „ weit hinter uns gelassen.  Die Anlaufphase in der Früh dauert schon sehr lange , heute hat es 2 Stunden gebraucht bis ich meinen Schritt gefunden habe . Aufstehen in der Früh geht nur mehr mit Überwindung – zu schön ists im warmen Schlafsack . Und eigentlich ist man immer müde . Aber es nützt nichts. Auch in der Nacht musste ich die warme Umhüllung verlassen , Montezumas Rache hat mich eingeholt und so gebe ich noch den kleinen Rest Nahrung ab der offensichtlich vorhanden ist . Das ist nämlich so eine Sache . Wir verspüren absolut kein Hungergefühl. In der Früh etwas essen zu müssen wäre eine Strafe oder man müsste es uns wie einer Gans beim stopfen in den Hals schieben. Von selber will nämlich nichts den Hals hinunter. So geht’s also ohne Frühstück los , zu Mittag mit viel Zwang ein Müsliriegel und am Abend vielleicht ein Teller Erdäpfel oder Reis . Wir fragen uns wo die Energie noch herkommt – vielleicht von den lange angehäuften Reserven ? Der Hosenbund geht jedenfalls schon deutlich leichter zu . Ja , und so quälen wir uns dann Meter um Meter nach oben . Es ist eine so ausgesetzte Welt in die der Mensch nicht gehört . Es geht zwar  – aber es ist sehr mühsam . Und so stelle ich mir hin und wieder die Sinnfrage . Aber  vielleicht muss man solche Dinge im Leben manchmal machen , einerseits um sich selbst zu fordern und seine Grenzen ein wenig auszuloten , aber auch um sich unseren Wohlstand und unser Glück in Österreich leben zu dürfen vor Augen zu führen . Unser Träger hat wohl nur eine spärliche Perspektive . Mit 20 ist er als Ältester von 11 Kindern irgendwie verantwortlich dass die Familie weiterkommt. Die Mutter würde trinken und der Vater ist gestorben .  50 % seines Verdienstes gibt er an die Familie wenn er etwas verdient . Das sind $ 15 / Tag wenn er als Träger arbeitet und im Winter ist er Koch für $ 100  im Monat . Keine Versicherung , keinen Urlaub – wohlgemerkt .

Wir gehen weiter mit vielen Gedanken im Kopf. Alles riecht schon etwas muffig und verschwitzt , es hilft nichts , außer Energie ist mittlerweile auch Wasser knapp da es gefroren ist . Wir wandern durch riesige Gletschermoränen , teilweise geht es in Gletscherbachtäler hinunter um auf der anderen Seite wieder hinaufzusteigen . Der Körper fordert von den Lungenbläschen Höchstleistung ein , meine Sauerstoffsättigung ist 77 % - gar nicht so schlecht .  Rechts taucht der Gipfel des Everest auf und wir kämpfen uns nach Gorak Shep hoch – dem Ausgangspunkt unserer Besteigung auf den Kalar Patar . Es ist mittlerweile schon alles etwas grausig , die Unterkunft gleicht einem Bretterverschlag , die Toilette verdient diesen Namen nicht mehr , Wasser gibt es nicht – alles gefroren. 

Nächster Tag – es geht los . Die Nacht war soweit ok , die Pinkelflasche bewährt sich . Das drängende Bedürfnis kommt zwar immer noch so 4 bis 5 Mal in der Nacht aber mit der Pinkelflasche ist das eine Sache von einer Minute und man muss das Zimmer nicht mehr verlassen . Ist nämlich kein Spaß bei minus 20 Grad im Freien . Und so schlafen wir für die große Höhe eigentlich ganz akzeptabel , Kopfschmerz verspüren wir nicht – also muss die Akklimatisation in Ordnung sein . Wieder dasselbe Prozedere , langsam , ganz langsam gehen wir los um die restlichen 350 Höhenmeter aufzusteigen . Der Kalar Patar ist wahrlich kein schöner Berg , eher ein Schutthaufen aus schwarzem Geröll. Aber er ist DER Punkt an dem man dem Everest am nächsten ist , abgesehen davon man steigt direkt hinauf . 8 km Luftlinie sollen es ein von Gipfel zu Gipfel. Wir kämpfen , schnaufen , mühen uns ab . Ab und zu kommt mir auch ein Fluch über die Lippen wenn eine Stufe zu hoch ist oder es bei 3 Schritten vorwärts wieder einen zurück geht . Kostet alles Kraft . Ja  aber dann , dann ist es geschafft . Wir sind oben . Berg Heil . 5634 m über dem Meer , Aug in Aug mit dem Mount Everest oder Chomolungma wie ihn die Einheimischen nennen . Ein ergreifendes Gefühl . Unser wichtigstes und erstes Ziel auf diesem Trek . Bisher hat uns auch das Wetter nicht im Stich gelassen hoffen wir dass es so  bleibt . Und so stehen wir da und bestaunen die Szenerie rings um uns herum . Umgeben von den höchsten Bergen der Welt . Mount Everest ,  Lhotse und Nuptse . Und wieder , wie schon beim letzten Mal ist es mir unverständlich wie man von dieser Position an der wir uns befinden noch unglaubliche 3214 Meter höher aufsteigen kann um den Gipfel des höchsten Berges der Welt zu erreichen .