Letzte Tage

 

Wir entscheiden uns, nochmal die Königsstadt Fes zu besuchen. Dort treffen wir zuerst mal erneut unsere Freunde Willi und Rosi am Campingplatz und so wird es trotz des Regens ein schöner Abend. Der nächste Tag dient der Hausarbeit – Wäsche waschen, Bürotätigkeiten, Hausputz – alles, was ab und zu auch mal sein muss. Tags darauf wird klar, dass man vor den Toren der Altstadt, am Bab Boujeloud, nicht mehr nächtigen darf, angeblich seit drei Monaten. Wie schon oft erwähnt, in Marokko ändert sich Vieles, und das sehr rasch, und auch nicht immer zum Guten. Aber wir finden was, vielleicht sogar noch Besseres in Gehweite zur Altstadt. Wir kennen Fes ja bereits, doch die Stadt ist einen zweiten Besuch auf jeden Fall wert. So  laufen wir uns dann einen Tag lang die Füße wund um gleich darauf auch noch die letzte der Königsstädte in Angriff zu nehmen – Meknes. Jetzt haben wir sie alle erobert. Und ja, Meknes ist auch schön. Es ist weniger touristisch, vielleicht sogar authentischer und hat eine durchaus faszinierende Medina. Besonders der Fleischmarkt ist hier eine echte Rarität, das haben wir sonst dieser Art nirgends erlebt. Riesige Fleischberge, fast etwas archaisch anmutend, Stierköpfe, die wie Trophäen präsentiert werden, massenhaft Innereien und immer wieder Tierhufe, die vorneweg klarmachen, um welches Fleisch es sich bei jedem Metzger handelt. Fast verspürt man nach diesem Spaziergang Lust auf vegetarisches Essen. Nicht weil wir zimperlich sind, nicht weil es so grässlich ist, einfach nur, weil es einen bei der Menge fast umhaut!

 

Aber irgendwann wird klar, jetzt ist es endgültig genug mit Medinas, Stadtmauern, Märkten und Bazaren, und wir gönnen unserem Entdeckerherz noch einen letzten archäologischen Leckerbissen: Das aus der römischen Antike stammende Volubilis. Besonders jetzt im Frühjahr ist diese bereits von den Khartagern besiedelte Region ein besonderes Highlight. Zwischen den Ruinen blüht roter Mohn, gelbe, blaue und weiße Blümchen mischen sich dazwischen und Bienen summen um die Wette. Also auch für nicht wirklich ausgeprägte Archäologiefreaks wie uns bietet dieses Ambiente sehr schöne Augenblicke.

 

Aber irgendwann ist`s auch damit genug und wir wollen nach Hause. Nach zwei letzten Nächten an der Lagune von Larache machen wir uns auf zum Fährhafen Tanger Med und wollen auf unser Schiff. Schier, es ist nicht da! Es kommt heute auch nicht mehr! Es ist niemand da, den man fragen könnte! Das gebuchte und bezahlte Ticket in unseren Händen ist demnach sozusagen für „die Fisch“! Kein Zeter und Mordio können Abhilfe schaffen, die italienische Fährgesellschaft hat uns schlichtweg nicht darüber informiert, dass dieses Schiff gecancelt wurde! Nach langem Hin und Her erreichen wir schließlich eine - ja eh - sehr nette Dame im Fährbüro in Italien, die der englischen Sprache mächtig ist, und uns ein Ticket für das nächste Schiff ausstellt. Jetzt allerdings zwei Tage später, Abfahrt in Tanger wie auch Ankunft in Genua zu nachtschlafender Zeit, und auch nicht mit ursprünglich gebuchter Außenkabine, sondern diesmal mit kuscheliger Innenkabine. Juhu! Aber letztlich sind wir froh, überhaupt ein Ticket bekommen zu haben, denn wäre der Kahn voll gewesen, hätten wir wohl noch eine Woche hier bleiben müssen. So aber nicht unser Plan – viel zu groß ist schon die Freude auf heimische Gefilde, auf Familie, Freunde und Garten.

 

So hat unsere dritte Marokkoreise leider ein mühsames Ende, doch wenn ich nicht diesen einen Moment alleine bewerte, sondern die vielen Erlebnisse in den Wochen davor, die vielen magischen Augenblicke, die uns diese drei Monate beschert haben, dann muss ich vielleicht sogar sagen, es wäre unsere schönste Marokkoreise gewesen. Mit wenigen Ausnahmen haben wir nur Neues entdeckt und jene Orte, die wir wiederholt besuchten, waren diesen zweiten Blick durchaus wert oder haben ihre Faszination diesmal sogar noch freizügiger preisgegeben. Ja und dann war diese Reise noch dadurch bestimmt, dass wir sie fast durchgehend in Begleitung lieber Reisefreunde begangen haben. Die meisten Begegnungen haben sich zufällig ergeben – doch es gibt ja bekanntlich keine wirklichen Zufälle. So haben sich unsere Wege also ganz bewusst zufällig gekreuzt und für Tage oder Wochen ein gemeinsames Ziel gefunden. Das sind jene Momente, wo das Herz des Reisenden wieder weiß, warum er diesen Weg gewählt hat. Die Einsamkeit, das Abenteuer, die Herausforderung, die Situationskomik … all das sind bedeutsame Erfahrungen. Aber sind sie nicht alle ein klein bisschen schöner, wenn man sie gemeinsam erleben darf? Und so durften wir auf dieser Reise nicht nur unsere zweisame Gesellschaft genießen, sondern auch jene mit Willi und  Rosi, Ueli und  Susanne, Wolfgang und  Brigitte, Mark und  Doro, Peter und Marion, Martin, Thomas und Susanne. Euch allen lieben Dank für anregende Gespräche und schöne gemeinsame Stunden!