Wüsten (alb ) traum

 

 

Unsere letzte Geschichte endete mit „…langsam scheint das Wetter besser zu werden…“, aber es war halt auch bloß eine Geschichte! Zur Erklärung, das Wetter ist nicht per se schlecht hier, es regnet nicht, es schneit nicht, hat keine Minustemperaturen, wir versinken nicht im Schlamm, die Temperatur ist angenehm bei durchschnittlich 25 Grad am Tag und 15 Grad in der Nacht …. aber unser Hassfreund, der Wind, begleitet uns ständig, klebt an uns wie ein lästiger Blutegel. Auch das nicht täglich, wir wollen nicht undankbar sein, der Kerl kommt und geht, er verschwindet aber nie ganz und die Vorhersage kündigt ihn mit zuverlässiger Sicherheit jeden zweiten Tag aufs Neue an! Also lässt sich ein ausgedehntes Wüstenabenteuer nicht wirklich planen, sofern man dieses nicht hermetisch abgeschlossen im LKW verbringen möchte, einfach weil ein Tag bei 35 Grad zu zweit auf 11 m² nun mal keine prickelnde Option darstellt. Das mögen jetzt Paartherapeuten und Psychologen als durchaus dem Zweck dienliche Herausforderung erachten, doch davor drücken wir uns jetzt einfach mal!

 

Aber wir lassen uns auch nicht aller Freude und Träume berauben, ein Stück weit wollen wir doch in  die Wüste. Und hier sei angemerkt, reine  Sandwüsten nehmen weltweit den weit kleineren Teil ein, viel größer ist der Anteil an Stein-und Felswüsten – und so auch in Marokko. So geht es oft zuerst km-weit über holprige Wellblechpisten, einer Waschrumpel gleich, bis man die ausgedehnten Dünenfelder erreicht. Und ähnlich der Wäsche auf eben so einer Rumpel fühlt man sich dann auch – durchgeschüttelt und ausgewrungen. Die wirklich erstklassige Federung unseres Styros überträgt dies gleich zweifach auf unsere schon etwas müden Knochen: es verwindet sich das Fahrgestell, es federt unser Hightechsitz im Führerhaus. Wenn die Schotterpiste dann endet, heißt es wieder, Luft raus, was bei uns ja ganz von alleine passiert.  Styros hingegen braucht da Hilfe, der will jetzt weiche, breite Patschen. Die kriegt er auch – und schon gliden wir quasi dahin, ein Wohlgenuss nach dem Gepolter zuvor. Thomas und Susanne begleiten uns noch mit ihrem Mercedes. Zu Zweit gibt immer auch Sicherheit, natürlich, wenngleich man in Marokko nicht so leicht verschollen gehen kann.

 

Plötzlich in der Wüste gedeiht an einem Fleck wilder Ruccola, ein skurriles Bild in der sonst so leeren Weite. Uns freut`s, das gibt einen leckeren Salat am Abend. Ab und zu, wenn man meint, hier gäbe es rein nichts mehr, begegnen uns Ziegen-oder Kamelhirten mit ihren Herden. Auch ihre Nomadenzelte lassen sich manchmal in der Ferne ausmachen. Was für ein spartanisches Leben im Vergleich zu unserem.

 

Wir folgen einem Trekk, den wir bereits von der letzten Reise kennen. Weicher Sand, fast wie Schifahren im Neuschnee. Die Wüste allerdings stellt sich jeden Tag anders dar, verändert ständig ihr Gesicht. Ja, die Wüste lebt, vom Wind gemacht,  formt sie ständig neue Strukturen, lässt alte Wege verschwinden und neue entstehen. Aber klar, der alte Trekk gibt die Richtung vor, den Weg suchen wir uns dann zwischen den wenigen Grasbüscheln und Gräben hindurch, die das spärliche Wasser des Oueds in regenreichen Wintern gezogen hat. Und schon trifft das ein, was man ohnedies weiß, der ehemals noch gut befahrbare Trekk entpuppt sich als Sackgasse. Wir nehmen etwas Anlauf, ist ja nur eine kleine Erhebung, oben geht es dann ja deutlich sanfter weiter, so die Erinnerung. Vielleicht trübt uns ja diese? Die Sonne? Die Hitze? Tun die schon das ihre? Kaum einen Gedanken daran verschwendet, neigt sich der LKW auch schon zur Seite, die Traktion ist plötzlich weg, Christians Gelassenheit weicht konzentrierter Fokussierung und schon stehen wir – das einzig Richtige in diesem Moment. Jeder weitere Tritt aufs Gaspedal würde uns nur tiefer in den Sand graben, nach unten nämlich. Also heißt es Aussteigen und mal Nachdenken. Die Schaufel muss raus, die Räder brauchen auf der Hinterseite einen Sandbuckel und vorne mehr Luft, und dann heißt es gerade zurückfahren, nur nicht kippen. Na ja, ist ja alles gut gegangen. Dann suchen wir halt eine neue Route. Gedacht, gemacht und bald schon stehen wir oben und landen  genau dort, wo wir hin wollten – auf unserem herrlichen Hochplateau mit freiem Blick in alle Richtungen soweit das Auge reicht. Nichts als Weite, karge Tafelberge und über uns die Sterne – einfach traumhaft. Heute  ist es windstill -  und Orion und Kassiopeier strahlen nur für uns!

 

Aber wehe, wenn dieses windige Monster sich von seiner rauen Seite zeigt, wenn es sich mit seinen Krallen um unseren armen Styros schlingt, ihm gruselige Geräusche ins Ohr zischt, ihm Sand in alle Öffnungen streut – ganz schnell wandelt sich diese liebliche Idylle in ein bedrohliches Szenario. Der Wind faucht dann mit Geschoßen von Sandpapierkorngröße 80 wild um einen, beschränkt den Aufenthalt im Freien auf das nur Allernotwendigste. Natürlich verschluckt einen das Monster nicht gleich, aber wollen wir denn tatsächlich noch einen weiteren Tag und eine  Nacht im LKW verbringen, bei 35 Grad und schwitzen wie die Eseln unter der Sonne, wie wir das vor ein paar Tagen schon mal hatten? Doch wohl lieber nicht. Also geben wir uns geschlagen und lassen uns die weitere Route ein bisschen vom Wetter aufdrängen…. Und so ergibt es sich, dass wir im Moment mal wieder an einem ganz anderem Ort sitzen: am Campingplatz mit Pool nämlich – aber immerhin, wir verrichten unsere Büroarbeit…