Neuer Reisemodus - wir lassen uns treiben

 

Unsere Reise ist diesmal irgendwie anders. Das mag daran liegen, dass wir nun schon das dritte Mal innerhalb von drei Jahren hier sind, eben daran, dass wir schon vieles besichtigt und erkundet haben. Nicht alles, ach woher, da gäbe es noch Unzähliges. Aber wie schon mehrmals festgestellt, die Dinge ähneln sich auch irgendwann und man hat nicht mehr den unbezwingbaren Drang, jedes Tal, jedes Oued, jedes Dorf und jeden Agadir persönlich kennen lernen zu müssen. Man begnügt sich damit, immerhin einige gesehen zu haben. Und augenblicklich hat man damit ein Stück Freiheit gewonnen – Reisefreiheit! Kein Muss, kein fixer Plan, kein  must have seen, kein unausweichlicher Fotostopp – ganz im Gegenteil, hier beginnen sich Reisetage in Urlaubstage zu wandeln, Reisestress mutiert zu genussvollem Sich-Treiben-Lassen. Ja, all das ist nicht immer ganz einfach, schließlich meint man ja ein Plansoll erfüllen zu müssen. Alles hausgemacht, alles selbst verschuldet, nur bloß kein Mitleid mit uns, erwarten wir gar nicht und haben wir auch selbst nicht mit uns - nur Erkenntnisgewinn. Das ist es, was neue Erfahrungen doch bringen sollen, oder? Also hoffen wir, dass wir dieses beinahe neue Reisegefühl festhalten können, es tief verankern, damit wir es immer dann hervorholen können, wenn uns plötzlich wieder dieser unbändige Entdeckergeist mit seinen Krallen zu sehr festzuhalten droht, als dass wir die Leichtigkeit des Sich-Treiben-Lassens dabei aus den Augen verlieren. Das wäre nämlich einfach schade.

 

Doch es ist natürlich nicht so, dass wir an einem Ort verharren, eine reelle Gefahr, dass sich Wurzelgeflecht unter unseren Füßen bilden könnte, ist nicht gegeben.  Wir verlassen unsere quasi Urlaubsresidenz bei Tafraoute, verabschieden uns von Brigitte und Wolfgang und fahren zu viert mit Uelli und Susanne weiter nach Süden. Die im Vorjahr bloß geschobene Piste durch die Ighmir-Schlucht entpuppt sich heuer bereits als gut ausgebaute Teerstraße. In engen Serpentinen und mit grandiosen Ausblicken windet sie sich durch das Bergmassiv. Der expandierende Straßenbau in Marokko ist unglaublich, die Kartographen können hier unmöglich nachkommen, Papier ist dafür zu langsam. Ein Agadir, ein ganz besonderer, muss es dann schon auch noch sein. Gewaltig thronen diese alten Speicherburgen hoch oben auf den Bergen. Zwingen sie uns heute, was uns nur gut tut, zu einem Fußmarsch, so ermöglichten sie früher den Menschen, sich bei Gefahr zurückzuziehen und ihr Hab und Gut dort sicher zu wissen. Manche wurden renoviert, manche sind bereits völlig zerfallen und beherbergen nur noch die leeren Kammern, in denen unzählige  Bienenstöcke Platz fanden.

 

 

 

Das Wetter ist dieser Tage wieder mal ein überaus launischer Geselle, schert sich einen feuchten Dreck um unsere Bedürfnisse und wir müssen uns ihm ganz ohne Ausnahme fügen. Der Horizont scheint wie mattiert, als ob jemand seinen gelb-weißlichen Pinsel dort ausgewischt hätte und damit alles darunter erfolgreich verdeckt. Man möchte sich die Augen reiben in der Hoffnung, dann klarer zu sehen. Doch es funktioniert nicht. Es macht irgendwie müde, reduziert nicht nur den Blick, auch den Tatendrang. Doch wir haben ja inzwischen gelernt. Das sind dann also jene Momente, in denen man am besten auch selbst zur Ruhe kommen sollte, irgendwo an einem ruhigen Plätzchen, und sei es mal ganz kuschelig im Haus.

 

So rollen wir also mal sanft dahin, dann poltert es wieder gewaltig unter Styros` Hufen. Wir sind an der Atlantikküste angelangt. Alleine der Name Plage Blanche klingt schon verheißungsvoll. Nein, dennoch keine Einladung zum Baden, wie gesagt, wir sind nicht am Indischen Ozean. Wir tauschen auch den Liegestuhl lieber gegen eine Hausmauer, die uns vor dem Wind schützt. Aber unsere Wanderung entlang der wunderschönen Küste, zwischen Dünen und rauer See ist einfach herrlich. Und …. wir hängen wieder einen Tag dran, verweilen an diesem schönen Ort – die netten und anregenden Gespräche mit neu gewonnenen Bekannten und Mitreisenden tun ihr übriges dazu.

 

Ein Stück weiter nach Norden, an den Steinbögen von Legzira entpuppt sich das Meer wieder von einer anderen Seite. Nicht weniger rau, doch die Dünen haben der Steilküste Platz gemacht und lassen ihre Ausläufer wie Krallen ins Wasser ragen. Riesige Zacken stürzen sich hinab in die Fluten und bilden Bögen brüchigen Gesteins, das versucht dem Wasser zu trotzen, mitnichten erfolgreich, die Kraft des Ozeans ist unbesiegbar und macht jedes Gestein mürbe.

 

Wir kommen abermals zur Ruhe, von hoch oben am Plateau lassen wir den Blick nach unten und in die Ferne schweifen – hinaus auf den Ozean oder auch hinein in uns selbst. Irgendwas gibt es immer zu entdecken – da wie dort.