Balinesische Feste

Neben den zugegeben manchmal mühsamen Phasen unserer Reise erleben wir immer wieder echte Höhepunkte. Und die letzten beiden Tage bescherten uns solche. Unser Ausflug führte uns an den Bratan-See, im Norden Balis. Der See sichert die Bewässerung eines Großteils der Reisfelder im Süden der Insel. Der Wassertempel Pura Ulun Danu ist Pilgerziel für die Reisbauern der Umgebung, sagen sie dem Wasser des Sees doch magische Kräfte nach. Sie kommen, um den Göttern Opfer darzubringen und sie zu bitten, ihre Felder weiterhin mit dem Leben spendenden Nass zu versorgen. Jedes Reisfeld muss vor dem Pflanzen mit einigen Tropfen geweihten Wassers aus dem Heiligen Bratan-See besprengt werden. So ist es auch nicht verwunderlich, dass  wir an diesem Tempel einem Fest und einer Prozession beiwohnen dürfen.

 

Die Tempelfeste sind bunt und aufwendig. Die Menschen sind festlich gekleidet, guter Stimmung und so ungeordnet dieses Treiben uns manchmal erscheinen mag, so sehr folgt es dennoch einem strikten Plan. Mit bunten Blütenblättern und auch mancherlei Getier gefüllte Opferkörbe werden dargeboten, und aus Bambus und Bananenblättern kunstvoll  geformte Arrangements säumen die Wege und die gesamte Tempelanlage. Die Unterschiedlich gekleideten Gruppierungen formieren sich, begleitet von Trommeln, Gongs und Schellen und warten auf die Segnungen des Tempelpriesters. Es ist ein Kommen und Gehen, auch ein  geselliges Zusammentreffen, so scheint es.  Nichts ist hier ruhig oder andächtig. Vielleicht die kurzen Momente einer Segnung und eines stillen Gebetes, aber immer nur als kurze Unterbrechung vom sonstigen Rummel. Kinder, ebenfalls festlich gekleidet, tollen herum, ihnen scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein, völlig anders als bei uns. Doch es funktioniert.

Der Reiz vieler balinesischer Tempel liegt oft in der Schlichtheit des Heiligtums und der vollkommenen Verschmelzung mit der umliegenden Landschaft. Heute haben wir Glück, und das Wetter lässt dieses Ensemble auch gelingen. Dieses riesige Indonesien mit seinen 300 Völkern und 250 Sprachen birgt auf jeder Insel neue Überraschungen. In der Ausübung ihrer Religion und Kultur unterscheiden sich die Inseln grundlegend. Hierin liegt natürlich auch der Reiz für den Reisenden.   

 

Als Tourist ist man allerorts gerne gesehen, oft scheint es, als erfülle es sie sogar mit etwas Stolz, dass wir an ihren Bräuchen teilhaben wollen.

Ich meine, wir hätten Glück, gerade zum richtigen Zeitpunkt hier zu sein. Woraufhin Christian erzählt, er wäre jetzt zum dritten Mal hier, und immer gab`s ein Tempelfest. Und genau das ist Bali – auf keiner anderen indonesischen Insel gibt es so viele Feste und auch Feiertage. Was mitunter auch zum Problem werden kann, da es eine Tourenplanung ganz schön über den Haufen werfen kann, wenn an unzähligen Tagen im Jahr einfach gar nichts geht – kein Office geöffnet, kein Flieger in der Luft, niemand der auch nur entfernt an Arbeit denken möchte.

 

Unsere Weiterreise entlang einer schönen Aussichtsstraße hoch über den Seen fällt dann wieder mal buchstäblich ins Wasser und das erwartete Postkartenmotiv wird zu unserem Leidwesen nicht zur Realität. Dafür gibt inmitten des Schüttregens der Scheibenwischer unseres Boliden den Geist auf und Kurt manövriert uns per Sonar durch die Regentropfen. An der Straße entdecken wir einen Balinesen, der gerade unter seinem Auto liegt und schraubt. Ein kurzer Stopp,  mit der Flex ein neuer Schlitz in die abgedrehte Schraube, Schraube raus und aus dem völlig verrosteten Sammelsurium  des Balinesen etwas neues Schraubenähnliches reingezaubert …. weiter geht`s. Auch das ist Bali.    

 

Bereits am darauffolgenden Tag dürfen wir dem nächsten Fest beiwohnen. Zurück in einem kleinen Küstenort, an dem wir schon waren, im selben Hotel wie vor zwei Tagen, harren wir am Pool der Ereignisse, die kommen mögen. Es ist Ogoh-Ogoh! Balinesisches Neujahr - ein Spektakel, das bei uns nichts Vergleichbares findet. Schon Tage und Wochen davor beginnen die Balinesen ihre Ogohs zu bauen. Bis zu 4 m hohe, bedrohliche Kreaturen aus Pappmachè thronen auf Bambusgestellen, die dann durch die Straßen getragen werden. Nein,nein,… das wäre viel zu banal …  sie werden nicht getragen ….. sie werden zu lebendigen Monstern gemacht …  werden gedreht, gerüttelt, bäumen sich auf, begleitet von Geschrei und Gebrüll. Wir haben den letzten Tag im Alten Jahr, und mit Hilfe der Ogohs  werden so die Bösen Geister vertrieben. Jung und Alt sind auf der Straße, alle wieder festlich gekleidet, die Ogoh-Trupps immer einheitlich und alle ausnahmslos mit für uns unglaublicher Begeisterung. Einige deutlich kleinere und leichtere Ogohs werden von 6jährigen Jungs geführt, ihre Begeisterung und ihr Einsatz kennen keine Grenzen. Beinahe bis zur Erschöpfung schütteln und drehen sie ihren Ogoh, als dass kein Böser Geist sich auch nur in die Nähe traut. Die Erwachsenen wachen aber fürsorglich über ihre kleinen Helfer, damit sie in der Hitze nicht zusammenklappen.  16 Figuren aus zwei Ortschaften treffen zusammen, um dann gemeinsam ihren Weg Richtung Friedhof anzutreten, wo die Ogohs nach getaner Geistervertreibung dann ihre Beerdigung in einem Flammenmeer finden.

 

Es ist ein drückend heißer Tag, das Toben ist schweißtreibend, übrigens auch für uns, und Abkühlung ist dringend notwendig. Vom Straßenrand aus wird der Festzug aus Schläuchen mit Wasser bespritzt. Wasserbecher werden unentwegt gereicht. Ich denke, tausende leere Becher und Flaschen säumen am Ende des Tages die Straßen – auch das ist Bali. Wir sind nach 4 Stunden ebenfalls völlig fertig, Christian ist die gesamte Strecke wahrscheinlich dreimal gelaufen, aber wir sind hellauf begeistert und dankbar, dieses Spektakel miterlebt zu haben.

 

Ja, und jetzt, einen Tag danach, ist Neypi – Silence-Day – der 1. Tag im Neuen Jahr. Und heute heißt es: Ganz leise sein! Alle sind in ihren Häusern, auch wir dürfen unsere Hotelanlage nicht verlassen, kein Geschäft, kein Restaurant  ist geöffnet, kein Auto auf den Straßen (außer Rettung und Feuerwehr bei Bedarf), kein Flugverkehr, Frühstück und Abendessen wird am Zimmerbalkon nicht im Restaurant serviert, und auch das schon um 16.00 (wie im Krankenhaus!) ……. nur keinen Lärm machen!!!!

Neypi bedeutet, in sich zu gehen, sich auf das Neue Jahr vorzubereiten, das alte zu überdenken.  Aber noch viel mehr bedeutet es: die Bösen Geister, die man mit gestern endlich vertrieben hat, glauben zu lassen, wir wären gar nicht mehr da…… also kein Grund für sie wiederzukehren …..

Pscht…..pscht ………