Albanien durch die Hintertür

Wir verlassen nach 5 Tagen unser neu entdecktes Paradies, den Skadar-See in Montenegro, und reisen nach Albanien ein. Der Grenzübertritt ist völlig unspektakulär und so machen wir uns auf von Shkodar über die Berge nach Kukes in den gebirgigen Teil Albaniens . Wir betreten Albanien sozusagen durch die Hintertür – dorthin wo nur wenige Touristen kommen.  Unser Weg führt uns in die zerklüfteten Region Puka. Immer wieder begleiten uns weite Ausblicke über diesen Landstrich,  in der Ferne schneebedeckte Gipfel und tief unten fließen der Drin und der Liqeni. Puka selbst gehört zu den höchstgelegenen Orten Albaniens (885) und ist auch ein beliebtes Skigebiet – so lesen wir zumindest. Die für unsere Schigebiete typischen Pistenschneisen können wir nicht erkennen. Die Gegend ist sehr arm, die Menschen leben von karger Almwirtschaft und vom Bergbau. Dementsprechend hässlich mutet auch so manche Siedlung entlang der Strecke an – Plattenbauten und Felshänge, aus denen scheinbar wild und ungestüm Gestein herausgehauen wurde, wie Wunden in einer ansonsten schönen Landschaft. Die  Fahrt hier ermüdet uns eigentlich sehr. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt knapp 30 km/h und Christian und Styros mühen sich km um km ab. Die nicht enden wollende 180 km Strecke windet sich Serpentine um Serpentine rauf und wieder runter. Die Straße wurde der Landschaft förmlich abgerungen, für Talquerungen mittels Brücke fehlte zweifelsohne Geld. Schließlich führt diese Strecke Reisende ans „Ende“ Albaniens, dicht an die kosovarische Grenze, Prishtina liegt dann nur noch 40 km entfernt. Kukes selbst ersparen wir uns dann schließlich, da schon der Reiseführer von seiner rauen Hässlichkeit warnt.

Auffällig ist jedenfalls dass von 10 Autos 8 ein Mercedes sind . Ältere Baujahre durchwegs und auf vielen ist noch das Länderkennzeichen A , D , CH und auch S zu sehen. Ob diese alle auf legalem Weg nach Albanien gelangt sind wäre zu hinterfragen. Und auch die andere Klasse ist noch in Vielzahl vorhanden : Zastava , Yugo , Koral aber auch alte 2CV etc….

Man kann hier überall spüren, dass es Albanien nicht leicht hatte. Sich zuerst von Mussolinis Italien, dann von Hitler`s Deutschland zu befreien, auch die vielen innerpolitischen Grabenkämpfe verlangten ihren Tribut und schließlich der Kommunisenführer Enver Hoxha, der 40 Jahre lang einen Sonderweg in Albanien ging, und das Land am Ende in die völlige Isolation und in den wirtschaftlichen Ruin geführt hatte – eine Situation, von der sich Albanien noch lange nicht erholt haben wird.

Vielleicht ist dies auch so ein Moment, an dem wir die Grenzen unseres Styros erstmals etwas wahrnehmen. Grenze ist hier falsch definiert, belastungsmäßig hält das Auto dies locker aus, auch fahrtechnisch kommt Christian gut damit zurecht. Die Frage bleibt nur: macht es auch noch Spaß? Sich über Stunden durchrütteln zu lassen, ständig die Schubkraft der 12 t beim Bremsen zu spüren und keinen Moment lang die Aufmerksamkeit schweifen lassen zu können. Wir machen uns dazu so unsere Gedanken und können sagen, auf diesem Streckenabschnitt haben sich Belastung und landschaftliche Highlights für uns nicht wirklich die Waage gehalten. Kurz, wir sind froh, am späten Nachmittag wieder einen doch akzeptablen Standplatz an einem kleinen See gefunden zu haben und sind einfach nur müde.

Am nächsten Tag geht`s weiter in südlicher Richtung nach Peshkopi, sicher eine der landschaftlich reizvollsten Straßen in Albanien. Man muss hier anmerken, das Land ist mit einem großflächigen Verkehrsnetz nicht eben gesegnet, v.a. die W-O-Verbindungen sind äußerst spärlich. Aber diesen Streckenabschnitt empfinden wir als wirklich sehr ansprechend. Wir durchfahren eine liebliche Berglandschaft, oberhalb des Tals des Schwarzen Drin. Im Osten ragen die Bergketten noch immer hoch auf, ansonsten ist die Gegend geprägt von Landwirtschaft. Einfache Bauerndörfer mit aus Stein gemauerten Wohnhäusern mit kleinen Fenstern, z.T. auch strohgedeckte Nebengebäude und aus dickem Buschwerk geflochtene Hütten und Lehmbauten säumen die Straßen. Eselskarren auf den schmalen Straßen sind ein ganz typisches Bild. Ältere Männer mit tiefen Falten im ledergegerbten Gesicht tragen noch ihre traditionelle schwarze Kleidung. Die Frauen in der hier vorwiegend muslimischen Bevölkerung tragen z.T. noch schöne mit Perlen eingefasste weiße oder farbige Kopftücher. Alle begegnen uns durchwegs freundlich, auch wenn wir massig und protzig daherbrummen.

Der letzte größere Ort vor der Grenze nach Mazedonien ist Peshkopi. Und ob dies nun der geplant einfachste Weg war oder auch nicht, wir wissen es nicht so genau, wir landen auf jeden Fall wieder mal mitten im Zentrum. Dort findet gerade ein geschäftiger Markt statt. Wieder Eselskarren, Ziegen hängen frisch geschlachtet an der Hauptstraße zum Verkauf, Geflügel wartet auf Abnehmer und viel frisches Obst und Gemüse türmt sich an den Ständen. Dazwischen viele Cafès, in denen natürlich hauptsächlich Männer anzutreffen sind. Die Straße selbst kommt mir vor wie eine Minigolfanlange, mit unzähligen Löchern, Buckeln und Hindernissen. Es gäbe sicher Vieles hier anzusehen, einfach wieder eine andere, noch etwas stehen gebliebene Welt, aber wir sind nun mal etwas „schwerfällig“ und können nicht eben mal an jeder Ecke stehenbleiben und schauen. Ich scheitere ständig an Christians Aufforderungen, dieses oder jenes zu fotografieren, gleichzeitig auf Straßenschilder und auf die Karte zu schauen, während 12 t von einem Loch ins nächste poltern und Styros zur Seite schwankt als ob wir ihm Feuerwasser eingefüllt hätten. Ja natürlich „Mann“ könnte das – ich nicht! Und daneben ist mein Blick noch ständig aus meinem Seitenfenster gerichtet, um den  Abstand zu den parkenden Autos cm-genau weiterzugeben. Aber ja, das alles haben wir gut geschafft und unsere Etappe endet heute in bereits wieder einem anderen, für uns fremdem Land, in Mazedonien – am Ochrid-See – ein echtes Highlight auf dieser Balkanreise!