Montenegro - ein neues Land

Wir verlassen Bosnien über die Berge und nähern uns einem für uns beide völlig neuen Land. Die Landschaft ist wild romantisch, die Zeichen des Krieges säumen leider unübersehbar die Straßen, viele Häuserruinen und Einschusslöcher in fast jeder Hausmauer, die nicht in den letzten 20 Jahren neu entstanden ist. Plötzlich werden die Ortstafeln wieder zweisprachig, vielmehr die Schrift auch in zyrillisch. Die Menschen hier sind arm, das ist nicht zu übersehen. Eine erste Polizeikontrolle meistern wir bravourös. Nachdem Styros über sich ergehen lassen musste, dass der neugierige Polizist sein Innenleben inspiziert, war alles paletti und wir konnten weiterfahren. Der Herr Wachmann hat es auch zugegeben , nachdem er die grüne Versicherungskarte achtlos beiseite gelegt hat wollte er den Führerschein und die Fahrzeugpapiere gar nicht mehr sehen – sein Interesse galt dem Innenleben unserer Wohnkabine. An der Grenze zu Montenegro eine ganz ähnliche Situation. Erst als wieder ein Zollbeamter mit seinen schweren schmutzigen Stiefeln unseren armen Styros von innen besichtigte, und dann zufrieden feststellte, dass wir weder Zement, Kartoffel oder sonst irgend etwas geladen haben, war klar, dass wir ein rein privater Personentransport sind! Die Bezeichnung PKW in unserem Typenschein war aus uns gar nicht verständlichen Gründen nicht ganz ausreichend. Auch war der Grenzübergang, was wir nun wirklich nicht wissen konnten, nur für Fahrzeuge unter 7,5 t gestattet. Da war dann doch wieder ein klein wenig Interpretationsgabe der vielen Zahlen in unseren Papieren notwendig, um den Zöllner davon zu überzeugen, das wir nur theoretisch auf 13 t kommen könnten……Nachdem er dann unsere Küche und die Toilette inspiziert hatte war alles ok . Keep smiling, good by and thank`s a lot…..

Wir kommen wieder an die Adriaküste und Herceg  Novi ist der erste Ort der uns in Montenegro empfängt. Die wenig stimmungsvollen Hotel- und Wohnblocks, die sich die Hänge hinaufziehen wirken nicht ganz so einladend, also wollen wir dann doch näher ans Wasser. Und so macht Styros seine erste, wenn auch unfreiwillige,  Innenstadtbesichtigung – einfach weil kein Weg mehr zurück führte, jetzt mussten wir durch. Styros schnaubt und Christian`s Adrenalinspiegel steigt. Wir können`s nicht mehr ändern, wir sind mitten drin in der Altstadt, und jede Schlange braucht nun mal auch einen Kopf – und wir sind ein verdammt mächtiger! Rechts und links die herauskragenden Hausvorsprünge, unten in der Tiefe die parkenden Autos und dazwischen Haarnadelkurven die die Innenstadt vielleicht charmant machen, uns jedoch lediglich nervös….  Dann gings noch unter dem Torbogen der Burgmauer durch – gerade noch . Aber alles ging gut, wir kamen wieder raus und waren um eine Erfahrung reicher! Am Ortsausgang parkten wir zuerst mal auf einer Baustelle – einfach um wieder runter zu kommen. Dann ging`s weiter auf Besichtigungstour per pedes. Herceg Novi ist die Keimzelle des Tourismus in Montenegro, aber dennoch haben wir den Eindruck, im Moment schläft sie noch. Überall noch Baustellen, die Promenade z.T. noch aufgerissen, viele Lokale haben noch geschlossen, scheinbar rüsten sich erst alle auf den großen Run im Juli und August. Dann fallen bekanntermaßen die Touristenmassen über die montenegrinische Küste her. Doch auch jetzt gibt es sie schon, die typischen Touristen dieser Region. Da hätten wir mal all jene, die ganz offensichtlich einen Sponsorvertrag mit Puma, Adidas oder Nike haben – stolz präsentieren sie ihre Marke. Daneben die weibliche Klientel nach dem Motto „von allem ein bissl mehr“ – mehr Farbe auf den Lippen, die auch ein bissl größer sind, mehr Parfum, damit auch das olfaktorische Gedächtnis sie nie vergessen möge,  dann allerdings weniger vom Stoff, der für Rock und Shirt verwendet wurde,  und das goldene Handy in der Hand oder noch besser am Ohr. Uns graut vor der Vorstellung, wie dies wohl in den Sommermonaten sein wird.

Wir finden wieder mal einen total netten Standplatz direkt am Meer am Ortsausgang – ein großes Gelände – nur leider sind davor zwei Stangen im Betonsockel, die unseren Kleinen um Haaresbreite nicht hindurch lassen. Daneben ein paar junge Leute, Einheimische, die uns bewundernd zusehen und kurzer Hand den Stipfel in die Horizontale befördern… „I like your truck“ war seine Erklärung dafür. Na ja, wenn uns jemand schon so nett darum bittet, dann treten wir ein…. und verbringen wieder mal einen schönen Abend am Meer. Am Morgen sind wir dann draufgekommen dass wir den Zollhafen über den Hintereingang erobert haben, 100 m von unserem Standplatz war das Polizeihauptquartier und die Zollmole mit blauem Abfertigungscontainer den ich aus der Entfernung als Tankstelle interpretiert habe . Na was solls , neben der Polizeiwache schläft es sich sicher.

Der nächste Tag führt uns weiter entlang der Bucht von Kotor – das Wahrzeichen von Montenegro schlechthin. Die Bucht besticht v.a. durch ihre Größe und die beeindruckende Landschaft im Hintergrund, das Orjen-Gebirge, eine Karstlandschaft, die bis zu 1000 m vom Meer emporsteigt. Auch die folgenden Ortschaften überzeugen  wirklich nur z.T.  Es ist nicht zu übersehen, dass vor dem 2.Weltkrieg diese Gegend noch zur Österr.-Ungar.-Monarchie gehörte, ja damals waren wir noch vereint. Und eben diese Teile sind durchaus ansprechend. Dann allerdings schlug der Spätsozialismus mit voller Wucht zu und diese baulichen Verbrechen sind leider nicht zu übersehen. Und wenn Manchereins vom sozialistischen Charme spricht oder schreibt, so lässt sich dies mit unserem Verständnis von ansprechender Architektur leider nicht vereinbaren. Also heißt es manchmal einfach, Augen zu und weiterfahren.

Letzeres haben wir übrigens ganz wunderbar gelöst. Unsere Reise dient ja letztlich auch einem Test für alles was Styros, seinen Inhalt und seine Fähigkeiten betrifft. Und so haben wir heute erstmals getestet, ob die Mitnahme unserer Enduro sich als Vorteil herausstellt. Und ob – die Idee ist Gold wert! In kürzester Zeit ist unser Motorrad von der Hebebühne runter und sobald Christian wieder Blaumax und Arbeitshandschuhe verstaut hatte, konnten wir schon wieder starten. Und so war es wirklich viiiiiel leichter die Bucht zu erkunden. Die 32 Haarnadelkurven hinauf auf den Krstac-Pass war per Zweirad zweifelsohne entspannter. Obwohl Christian ja schon die Idee geboren hat, beim Rückweg nach Hause mit Styros von der anderen Seite diese Passage zu bewältigen. Ich nehme dies vorerst einfach mal hin…. wir haben ja noch 3 Wochen inzwischen vor uns, in denen ich „Überzeugungsarbeit“ leisten kann. So allerdings war es ein echt entspannter Tag, der wieder an einem schönen Platz direkt an der Uferstraße endet. Styros gibt uns Rückendeckung zur Straße hin und wir schauen raus auf`s Wasser der Bucht von Kotor.