15 Wochen Marokko

 

Nun haben wir zum zweiten Mal Marokko bereist und das innerhalb von nur 12 Monaten. Und Ja, die Entscheidung war richtig, dieses Land ist den Reiseaufwand durchaus wert. Mit dem eigenen Auto hierher zu kommen ist schon wahrlich aufwendig, ganz egal ob man die vielen km durch Frankreich und Spanien auf sich nehmen möchte oder so wie wir die Überfahrt mit der Fähre von Italien nach Tanger wählt. Die See ist mäßig aufgewühlt, und während ich hier schreibe rollt unser Schiff die Wellen relativ gemächlich auf und ab. Man könnte also fast entspannen. Doch wie es überhaupt möglich sein kann, so grauenhaftes Essen zu servieren wie hier, entzieht sich völlig unserem Verständnis. Es ist nun die 4. Überfahrt auf dieser Strecke, der Menüplan ist zu 100% ident und auch im selben Ausmaß geschmacklich schauderhaft! Beide Varianten sind demnach wahrlich keine Freude, doch anders geht es nun mal nicht.

 

Wir haben wirklich viel gesehen, einen Eindruck von den Wüstengegenden dieses Landes bekommen, sind viele Bergstraßen rauf und runter gefahren, haben den Königsstädten Tribut gezollt und das Leben auf dem Land wie in der Stadt ein wenig kennengelernt.  Wirtschaftlich ist Marokko seit Hassem II vom Entwicklungsland zum Schwellenland aufgestiegen. Sein Sohn und Nachfolger, der allseits beliebte Hassam VI, gilt als moderner König, trägt den Titel „König der Armen“  und heißt im Volksmund M6. Die Zeichen stehen ganz gut für dieses Land, es scheint aufwärts zu gehen, wenn auch nicht in allen Bereichen. Laut Statistik (was auch immer sie wert sein mag?) sehen 90 % eine Verbesserung der Lebensumstände im Hinblick auf Schulen, Gesundheitswesen und Straßen.  Kritik wurde „nur an der Ausdehnung der Frauenrechte geübt“ – und das finde ich nun wirklich sehr interessant! Der Islam als Staatsreligion wird definitiv nicht so streng ausgelegt wie in anderen muslemischen Staaten, Marokko ist immerhin eine konstitutionelle demokratische Monarchie und die Sittenwächter sind nicht augenscheinlich. Doch wie die wahre Volksseele empfindet, konnten wir nicht wirklich erfahren. Wieder ist man an dem Punkt angelangt, dass man ohne Sprachkenntnisse – und hier wäre Arabisch oder wenigstens Berber notwendig – ein Land immer nur oberflächlich bereisen und wahrnehmen kann. Und natürlich kann man nicht darüber hinwegsehen, wie Vieles auch nicht funktioniert in diesem Marokko. Die Armut bleibt vielerorts sichtbar, der Bildungsstand am Land hat großen Aufholbedarf und von den Problemen in der Krisenregion Westsahara gar nicht zu sprechen. Dort zeigt Marokko sein hässliches Gesicht als Besatzer und Nutznießer reicher Phosphatvorkommen. Es ist überall auf der Welt dasselbe, Machterhalt und Gier der Regierungen stehen an erster Stelle, Humanität erfolgt nie uneigennützig und die ganze Wahrheit erfährt man nie.

 

Aber es ist zweifelsfrei angenehm mit eigenem Fahrzeug hier zu reisen. Die Menschen sind generell sehr freundlich und hilfsbereit, die Kinder allerdings ab und zu extrem lästig und heuer wurden wir auch zweimal mit Steinen beworfen – sehr unschön! Der Grund ist immer, weil sie nichts von uns bekamen. Wie also dem beikommen? Sollte niemand mehr etwas geben? Keine Geschenke mehr von den reichen Touris? Oder soll man immer kleine Aufmerksamkeiten parat haben? Die ewige Frage. Wir entscheiden uns am Ende für kleine Geschenke als Gegenleistung für eine Hilfestellung o.Ä. ihrerseits. Quit pro quo – zumindest bei den Kindern. Wir denken mittlerweile - und wir haben es auch nicht immer richtig gemacht - dass alles andere auch nicht das richtige Signal wäre.

 

Wir durften einige wirklich beeindruckende Gegenden bereisen, haben Stimmungen und Landschaften gesehen, die mir immer in Erinnerung bleiben werden. So anders, so ganz gegensätzlich zu unserer Heimat sind sie. So unterschiedlich die Regionen hier sind so verschieden sind auch die Menschen – Araber, Berber und  Schwarze. Das macht es wohl auch aus, was mich fasziniert, je fremder desto spannender - für den Augenblick zumindest. Es steigert das Erinnerungspotential, eben das bleibt dann hängen. Das mag ich so am Reisen, dabei auszubrechen aus dem Gewohnten, Neues erfahrbar (jetzt auch nicht nur sprichwörtlich sondern mit Styros auch tatsächlich) zu machen. Je weiter man in den Norden kommt, desto „europäischer“ (abgesehen vom Dreck!!!) erscheint Vieles, hier überwiegt der Einfluss der ehemaligen portugiesischen Kolonialmacht, orientalisch ist hier nichts mehr.

 

Zum Abschluss eines Tages kann ich dann wieder ein neues Fenster schließen, das sich für einige Stunden für mich geöffnet hat und mir eine andere Welt offenbarte. Ja und auch das kann ich sagen, ich kehre dann auch wieder gerne in meine Welt zurück. Auf diesen LKW-Reisen ist dies ziemlich einfach, da wir ein Stück unserer Welt ja immer dabei haben. Und wenn sich die Türen von Styros schließen, sind wir fast zu Hause. Die Annahme, man würde den Menschen näher kommen, wenn man nicht mit eigenem Auto/sprich Haus reisen würde, sich immer ein Quartier suchen würde ect., kann ich nicht unterschreiben. Denn mit unserem Dicken kommen wir dafür in Gegenden, in die man als „Normalreisender“ ganz sicher nicht kommen könnte. Es hat also alles Vor- und Nachteile, und das Positive überwiegt meiner Meinung nach in diesem Land, wenn man es auf diese Art und Weise bereist. Also spätestens jetzt schon, nach nur wenigen Zeilen und ein bisschen darüber zu reflektieren zwängt sich schon wieder so ein kleiner Gedankenfetzten in mein Gehirn … vielleicht sollten wir doch wieder hierher kommen, irgendwann  einmal…. 

 

Nach diesem inspirierenden Essay von Elke erlaube ich mir eine nur kurze pragmatischere, vielleicht eher nüchterne  Betrachtungsweise unserer Wochen hier in Marokko. Angekommen bin ich als (fahrtechnisches) Greenhorn, ich verlasse Marokko nun in der Gewissheit und im Bewusstsein mein Fahrzeug  zumindest zu 95 % zu kennen, zu wissen was ich mir – und ihm – zumuten darf und kann. Dies ist aller Wahrscheinlichkeit nach immer noch deutlich weniger als der LKW kann, aber Vorsicht ist die Mutter aller Porzellankisten – und das ist nun mal neben gesund zu bleiben das Wichtigste – den LKW wieder gut nach Hause zu bringen. Bei allen Strecken die wir zurückgelegt haben gibt es für mich zwei Dinge die ich als deutlich wichtiger einstufe als alles Andere. Nicht das Hängenbleiben in einer Düne oder Vergraben in Sand oder Schlamm, nein, es sind das Abstürzen bzw. Umkippen weil irgendetwas nachgibt oder eben wegbricht, und plötzliches Wasser, das mich Vorsicht walten lässt. Möchte man nicht meinen, aber wir haben hier so viel Wasser gesehen, dass man sich fragt ob man denn tatsächlich in Marokko sei. Aber wenn es einmal regnet dann geht es schnell und trockene Wadis bzw. Oueds füllen sich in Windeseile mit Wasser und werden zu reißenden Flüssen. Auch wenn man sich an eine erhöhte Stelle retten kann, dauert es eventuell Tage bis man wieder wegkommt da die schlechten Wege einfach weggeschwemmt sind. Auch wir mussten nicht nur einmal umkehren weil zuvor befahrbare Straßen einfach nicht mehr existierten. Das mit den Stellplätzen ist auch so eine Sache. Kaum eine Nacht in der man unbehelligt bleibt. Entweder „wachsen“ irgend welche Menschen einfach aus dem Boden und möchten etwas haben, oder man ist von einer Vielzahl von Kindern umzingelt die letztendlich auch etwas haben wollen. Und  wenn sie nichts bekommen, kann es schon mal passieren, dass sie mit Steinen werfen oder versuchen etwas zu klauen. In den Städten begegnet man jenen selbsternannten Parksheriffs, die mit Warnwesten Obrigkeit demonstrieren wollen und gegen die Entgegennahme von Bakschisch Sicherheit für den LKW garantieren – wer´s glaubt ……  Und dann noch alle Anderen, die etwas verkaufen wollen, ganz bestimmt in Österreich Freunde haben, Führer für was auch immer sind etc. etc. All das kann manchmal ganz schön nervig sein…… aber trotzdem: Wenn man das zuvor Erwähnte, die aufdringlichen Menschen, die Anspannung und den Adrenalinspiegel angesichts schwieriger Pisten, Staub, Gerumpel und Schaukelei im LKW etc. etc. beiseite schiebt, wenn man dann nach einem anstrengenden Tag auf einem Bergkamm, einer Düne steht und in die unendliche Weite der Wüste blickt und ein kaltes Bier aufmacht, dann, ja dann ist es klar : Alles Negative ist vergessen und es ist die Anstrengung wert! Und wir kommen wieder – irgendwann – nach Marokko.