Der Süden - Kerala und die Backwaters . Das Venedig Indiens

Szenenwechsel : Süd gegen Nord , Staub gegen Wasser , braun gegen grün , heiß gegen kalt , karg gegen üppige Vegetation , Hose gegen Lunghi  – wieder erleben wir dieses Indien der Gegensätze. Nicht nur im materieller Hinsicht – auch in allen anderen Bereichen überrascht dieses Land immer wieder mit diesen Unterschieden. Wir fliegen 3000 km weiter in den Süden – nach Kerala – Indiens grünstem und auch reichstem Bundesstaat . Keinen Teil Indiens habe ich so intensiv bereist wie Kerala – ich habe in Summe Monate hier verbracht .

 

Wir erreichen per Flug Cochin und  beschließen vorerst mal ein bisschen zu rasten, müssen uns auch erst mal an die jetzt heißen Temperaturen gewöhnen. Bewegungsfrequenz und –amplitude werden auf ein Minimum reduziert, den größten Energieaufwand erfordert noch das Essen. Neben dem Reisen müssen nun auch andere Dinge wieder Platz gewinnen. Besuch im Barber-Shop, Kurt war bis jetzt noch zu feige dazu (!). Als nächstes zum  Schuster,  meine Sandalen lösen sich nämlich auf – sind eben kein Hightech- wunder à là Geoxx von Kurt, die Laundry bekommt einen riesigen Sack von uns und dann noch zum Schneider, weil Kurt und ich unsere Hosen durchgewetzt haben! Wir alle genießen die Ruhe hier vor Ort und flanieren von einem Schattencafè zum nächsten oder zu den Fischern an den riesigen chinesischen Fischernetzen. Abends kaufen wir fangfrischen Fisch und ein ganzes Kg Tiger prawns  an der Mole und lassen sie uns im Restaurant grillen. Herz was willst du mehr!

 

Nach zwei Tagen geht es noch 60 km weiter südlich. Man könnte dafür ein Boot nehmen, oder auch ein Taxi – uns ist das zu banal: wir haben die bisher wohl verrückteste Idee und  fahren mit dem Tuk-Tuk. Als wir dies unserem amerik. Freund erzählen, den wir immer wieder treffen, meint dieser nur „Oh god, why that? You crazy guys!“ So packen wir früh morgens unsere 58 kg Gepäck in unser kleines Fahrzeug, packen uns zu dritt auf die Rückbank und los geht`s. Tuk-Tuks haben diesen Namen aufgrund des ohrenbetäubenden Geräusches, das sie machen….. alles klar? Unterhaltung wird auf Zeichensprache umgestellt, einatmen nur noch, wenn gerade kein Gegenverkehr, aber ansonsten war`s eine durchaus angenehme Fahrt, Air condition gratis inklusive . Erfahrungen sammeln ist ja schließlich  die wichtigste Devise auf so langen Reisen! Wir bemühen uns eben täglich!

 

Es tut allen Sinnen und der Seele gut nach fast 4  Wochen karger , wüstenhafter Landschaft nun in eine üppige , grüne Wasserwelt – die Backwaters – einzutauchen.  Die Backwaters sind ein riesiges Biotop wo sich in Küstennähe Salzwasser mit Süßwasser mischt , weiter landeinwärts diese Mischung dann in reines Süßwasser übergeht . Alles durchzogen mit kleinen Kanälen , Inseln , Binnenseen , die dort wo es genug Land gibt , bewohnt sind  . Wohin man blickt ist grün . Bananen , Kokospalmen , Mangos , Papayas , Ananas – die Pflanzen und Märkte quellen über von diesen Köstlichkeiten . Wohl auch ein Grund warum mich dieses Kerala , neben den beruflichen Herausforderungen  der Vergangenheit auch heute noch so in seinen Bann zieht . Und so wandle ich auf so manchem Pfad den ich erstmals hier schon vor 30 Jahren betreten habe und freue mich nun Elke und Kurt daran teilhaben zu lassen . Damals noch Greenhorn , unerfahren , hat mich diese fremdartige Welt immer fasziniert und begeistert . Hat man damals hier von Coca Cola nicht einmal noch gehört , gab es natürlich in den wenigen Autos keine Klimaanlagen – ja von westlichen Gebrauchsgütern hat man nichts gewusst. Gefahren wurde mit alten  englischen Ambassadors – sonst gab es nichts . Dies ist heute natürlich anders . Der Wohlstand ist besonders in Kerala zu bemerken , einerseits profitiert man von der Ayurveda Welle und vom Tourismus , andererseits ist Kerala das klassische Arbeitsexportland . Aus jeder Familie arbeitet jemand in den Emiraten und verdient so ein Vielfaches von den Verdienstmöglichkeiten hier zu Hause . Und so ist es auch nicht verwunderlich viele ansehnliche Häuser zu sehen die so manche Straße säumen. Wie auch überall sonst partizipieren aber nicht alle Schichten von dieser Entwicklung und es gibt wie im ganzen Land Armut, hier vielleicht aber weniger Elend .

 

Wir erleben und bereisen die Backwaters einerseits von der Terrasse unserer netten Behausung direkt an einem großen Binnensee oder auch von kleinen Booten die durch die Kanäle gestakt werden . Es erfordert schon etwas Überwindung zuerst alles Grünzeug zur Seite zu schieben und dann in die unglaublich warme Brühe einzutauchen und von kleinen Fischen angeknabbert zu werden . Nachdem sich hier alles Leben um und in den Kanälen abspielt , es wird Wäsche gewaschen , Geschirr und Zähne geputzt , die Menschen seifen sich selbst ein bis unter der weißen Seifenschicht nur mehr wenig der unglaublich dunklen Haut zu sehen ist, würde eine Wasserprobe an die Hygieneabteilung den dort beschäftigen Chemikern wohl alle Haare zu Berge stehen lassen . Aber was soll´s ,es ist heiß , die Anderen tun´s auch also weg mit dem Grünzeug und hinein . Elke ziert sich noch ein wenig  aber dann ist auch sie mutig genug und schwimmt so flach es geht über den schlammigen Untergrund . 

Es ist ein unglaubliches Labyrinth an Wasserwegen , Kanälen , Inseln und winzigen Eilanden , die , teils nur über den Wasserweg erreichbar ,von Menschen und  Tieren besiedelt sind . Scharen von Enten und Gänsen , Vögeln und sonstigem Getier erzeugen eine unglaubliche Geräuschkulisse und es ist ein besonderes Erlebnis frühmorgens zu erleben wenn diese dschungelartige Wasserwelt erwacht und noch Dunst und Nebel über den Lagunen stehen .