Ernüchterung - Kovalam beach. Das verlorene Paradies

Wenn man viel reist ist es immer wieder mit einer gewissen Problematik verbunden und ernüchternd an Orte zurückzukommen die man vor vielen Jahren geschätzt hat weil sie Charme hatten . So ein Ort war für mich schon vor mehr als 20 Jahren der Kovalam beach , eine Strandidylle ihresgleichen , ein Paradies von dem die damaligen Hippies, die Goa bevölkerten, noch nicht einmal wussten wie man das schreibt – also wirklich ursprünglich und schön . Immer wieder kam ich im Zuge meiner Indienreisen auf einen Abstecher hier vorbei , das letzte Mal vor 7 Jahren . Sicher , es verändert sich immer etwas – leider aber meistens nichts zum Besseren . So war mein Entschluss schon vor 7 Jahren klar – nie wieder Kovalam . Deshalb hatte ich auch für unseren Indienabschluss nach den Backwaters den Varkala beach ausgewählt . Laut Reiseführer ein Strand der noch deutlich vom Massentourismus  verschont sein soll und sich vom gnadenlos ausgebeuteten Kovalam beach positiv abheben soll. Welch ein Irrtrum!! Als wir ankommen stehen wir inmitten eines billigen , von englischen Pauschaltouristen  übervölkerten Strandes , vermischt mit Aussteigern aus Goa , Gokarna  etc. die ihrerseits wohl das vermeintliche Paradies suchen – vielleicht hier ja sogar finden . Die Strandpromenade mit unzähligen Shops und Restaurants ist ganz ordentlich aber grenzenlos langweilig , da überall dasselbe. Das ist nicht Indien, das könnte an jedem billigen Strand der Welt sein.  Wir beziehen ein ganz schönes Zimmer in ca. 5. Reihe und gehen erst mal Fisch essen – den gibt es hier noch – in hervorragender Qualität und billig . Es gab Filet vom Blue Marlin , so ca. ein halbes Kg , im Tandoori Ofen gebraten für ca. € 4.-  , Elke dasselbe nur mit Knoblauchbutter , Kurt hat sich für einen ganzen Octopus entschieden .

Nachdem ich diese „Strandidylle“ einen Tag auf mich einwirken ließ und so gar nichts damit anfangen konnte hatte ich die spontane Idee nun doch nach Kovalam zu fahren , wir hatten noch einen Tag Zeit , es war nicht weit und außerdem war ich doch neugierig wieder an den Ort zu kommen wo Indien für mich so eigentlich begonnen hat – schlimmer kann ´s ja nicht werden – dachte ich  ! Wieder daneben !!!!

 

Kovalam beach gibt es nicht mehr – nur der Name ist noch derselbe . Der Ort wurde dermaßen aggressiv vermarktet , verhüttelt , verbaut , ohne jegliches Gefühl und ohne nachhaltige Überlegungen wurden unglaubliche Ressourcen der Natur hier ausgebeutet . Kovalam beach ist tot – ausgebrannt . Mittlerweile sind sogar die Hippies und Aussteiger weg , man könnte meinen der Ort ist eine Kuranstalt hauptsächlich alter englischer Pauschaltouristen die sich in späten Jahren des Yoga besinnen und frühmorgens am Strand irgendwelche Verrenkungen vollführen . Wir haben jedenfalls den Altersschnitt deutlich nach unten gedrückt .

Müll wird direkt hinter den „ Hotels „ verbrannt , alles gleicht einer ostblockartigen Barackensiedlung . Es gibt weder charmante Strandkneipen noch sonstige Orte die einen zu einem längeren Aufenthalt einladen würden .

Vorbei die Zeit als es noch keinen Strom gab , bzw. man bewusst darauf verzichtet hat und der ganze Strand mit Kerzen beleuchtet war . Na ja , jetzt sind wir mal da und so besuche ich halt noch einmal das nahe Fischerdorf und einige andere Orte  an denen ich mich in der Vergangenheit gerne aufgehalten habe . Um es kurz zu machen : Es gibt nichts mehr von alledem . Das Fischerdorf ist zwar noch da aber es ist zu einer unglaublichen Müllkippe verkommen  , die Menschen „wohnen“  buchstäblich im und am Dreck . Oft haben wir auf unserer Reise die unglaublichen Zu- und Umstände in Indien beschrieben , hier finden sie zum Abschluss unseres Indienaufenthaltes noch einmal einen Höhepunkt . Es motiviert mich auch nichts mehr hier zu fotografieren , zu frustrierend ist die Entwicklung für mich . Wenn doch einige Bilder hier etwas anderes ausdrücken so sind es isolierte Momente und Orte die nicht über das schrecklich zerstörte Gesamtgefüge hier hinwegtäuschen sollen .

Was für uns am unverständlichsten ist : Die Menschen hier leben von ihrer Umwelt , die Fischer vom Meer, der Rest vom Tourismus . Wie kann man den Lebensraum von dem und aus dem man lebt so zerstören ? Wie kann man jeglichen Müll einfach wegwerfen , liegenlassen – ja mehr noch – einfach auf dem Müll und im Gestank leben ? Wohin man blickt ist Kloake . Kovalam ist tot !

 

Ja , und so sind wir froh jetzt im Zug zu sitzen und zu neuen Ufern , in ein anderes Land aufzubrechen . Ich selbst muss mir nach nunmehr 30 Indienaufenthalten und in Summe mehr als 2 Jahren in diesem Land die Frage stellen – wohin geht dieses Land und was bietet es noch für  mich ? Wie viel mehr Menschen und Dreck hält es noch aus ?  Ich habe ziemlich alles gesehen – auch weil mich dieses Land immer so fasziniert hat . Am ehesten reizt mich noch der indische Himalaya , also Ladakh und Kaschmir sowie die Königreiche Spiti , Zanskar und Lahaul . Aber auch hier hat die Moderne – oder das was die Inder darunter verstehen – schon Einzug gehalten und ich sehe einem nächsten eventuellen Indienaufenthalt doch mit gemischten Gefühlen entgegen .