Impressionen des Greenhorns

New Delhi Airport – es ist 01:30 Uhr morgens als ich das Flughafengebäude verlasse und das erste Mal „asiatische Luft“ schnuppern darf. Es riecht nach verbranntem Schwefel, so als ob die zu hunderten auf ihre Gäste mit Schildern wartenden Männer alle gleichzeitig Streichhölzer angezündet hätten. Unmittelbar darauf erreicht mich eine beeindruckende Geräuschkulisse, angeführt vom ständigen Hupen der Autos und Tuk-Tuks. Es ist inzwischen fast 02:00 Uhr morgens und die Stadt scheint dennoch wach zu sein. In Delhi leben geschätzte 17 Mio Menschen.

Wir finden den Mann mit den Schild „Christian Binder“, sprechen ihn an und folgen ihm Richtung Auto. Dank Christians Überblick und Erfahrung stellt sich aber heraus, dass es der Fahrer eines anderen Hotels ist. Diesem Hotel hat der Captain zwar mal eine Anfrage geschickt aber nie dort gebucht. Wären wir mit getrennten Flügen in Delhi angekommen, wäre ich schon das erste Mal gründlich verloren gegangen! Wo aber ist der Fahrer der richtigen Agentur? Während ich mich ratlos den überwältigenden Eindrücken hingeben muss (!), telefoniert Christian (mit dem Handy des falschen Fahrers) bereits mit dem Richtigen und erfährt, dass dieser in 20 Minuten am Flughafen ankommen wird. So habe ich wenigstens die Möglichkeit meine allerersten Eindrücke ein wenig verdauen zu können.

Die nächste Herausforderung lässt aber nicht lange auf sich warten: die Fahrt zum Hotel. Naja ich wusste ja, die Inder fahren links, obwohl zu erkennen ist dies zwischendurch für mich nicht wirklich. Dazu später mehr.

Müllabfuhr? Ich kenne solche Bilder nur, wenn in Neapel die Müllabfuhr wieder mal streikt und dann sieht das im Vergleich noch sauber und geordnet aus, Sämtlicher Müll und Unrat liegt auf der Straße und dient den streunenden Hunden und herumlaufenden Rindern (!) als Nahrungsquelle. Ratten sehe ich in Delhi keine, wohl aber gleich meine erste kleine Kakerlake am Flughafen.

Unser Hotel liegt in einer Nebenstraße. Ich kenne wenige, die sich in unseren Breiten trauen würden, sich in solch eine Gasse mitten in der Nacht zu verirren. Mein erster Eindruck vom Zimmer und Bad: ups!  Gerne packe ich meinen eigenen Schlafsack aus und verwende,  mit herzlichem Dank an die Austrian Airlines, meine geborgte „Decke für Alles“. Elke motiviert mich mit ihrer Aussage, sie habe schon  „viel Schlimmeres“ erlebt. Die Motivation schlägt bei mir aber gleich wieder in ein mulmiges Gefühl um. Was darf ich noch erwarten?

Nach dem Frühstück im Hotel (Toast, so etwas ähnliches wie Butter und Marmelade, Instantkaffee, Tee und Paratha-Fladen) fahren wir mit dem Tuk-Tuk zum Chandni Chowk, dem Zentrum von Old Delhi um die größte Moschee Indiens, die Jama Masjid zu besichtigen. Ich laufe wie verrückt hinter Elke und Christian nach um sie in dem Getümmel ja nicht zu verlieren. Hier spielt sich alles direkt auf den Straßen ab. Schuster, Schneider, Friseur, Essen und daneben schmierige Autoteile, Zahnarztpraxis und Fahrradreparatur. Alles, wirklich alles spielt sich in den Straßen am Boden ab. Geschmückt mit all dem Müll, der sich von Millionen Einwohnern achtlos weggeworfen, halt so ansammelt.

Vor der Jama Masjid verharre ich, um den Verkehr auf dieser kleinen Kreuzung zu beobachten bis ich schwindlig werde. Das dauert aber nur 10 Minuten! In diesem funktionierenden Chaos tummeln sich Autos, Tuk-Tuks (die dreirädrigen Taxis), LKWs, Mopeds und Motorräder, Fahrräder, Fußgänger, heilige Kühe, Esel- und Kamelgespanne, Männer mit Handkarren und streunende Hunde. Ein 6-jährige Mädchen mit ihrer kleinen Schwester an der Hand quert alleine diese Straße. Ich habe Angst um die beiden Kinder. Zielsicher erreichen sie die andere Seite. Ich kann nicht mehr länger zusehen und flüchte mich zur Erholung in die ruhige Moschee.

Zum Hotel zurück fahren wir mit der U-Bahn. Um in die Metro zu gelangen, müssen alle Fahrgäste, an jeder Station gleichermaßen, durch eine Personen- und Gepäckkontrolle, ähnlich jener am Flughafen. Dahinter stehen bewaffnete Soldaten in eigens aufgebauten Sandsack-Festungen mit dem Gewehr im Anschlag. Frauen und Männer in getrennten Schlangen. Ich bin immer froh hinter Christian nachtrappeln zu können. Die „tapfere Elke“ muss sich extra anstellen und wird so von uns getrennt. Dank ihrer Größe und der blonden Haare finden wir schnell wieder zusammen. Im krassen Gegensatz zum Chaos auf den Straßen herrscht in der U-Bahn eine strenge Ordnung. In einzelnen Reihen stehen die Menschen, dirigiert von je einem eigenen Bediensteten pro Zugtür, in aller Ruhe an. Diese Disziplin scheint offensichtlich ein Relikt aus englischer Kolonialzeit zu sein.

Endlich wieder im Hotel angekommen, falle ich hundemüde in meine am Boden liegende Matratze. Hurra! Ich habe meinen ersten Tag, in einer für mich vollkommen fremden Kultur, geschafft. Indien ist kein Land für Reisende, die zu Hause für Hände, Gesicht und Füße jeweils eigene Handtücher verwenden wollen. LOL - euer Greenhorn Kurt