Kathmandu

Nun haben wir also noch einige Tage mehr als ursprünglich geplant in Kathmandu verbracht, da wir ja etwas früher aus den Bergen zurück sind. Man hat hier zwei Möglichkeiten, man kann sich hinter den Mauern eines 5-Sterne-Hotels verstecken – dann erscheint allerdings jede Stadt auf dieser Welt gleich – oder man sucht sich irgendein Mittelklassehotel, in dem man es durchaus auch aushalten kann und dennoch irgendwie mitten drin ist.

 Kathmandu ist keine schöne Stadt, im herkömmlichen Sinn. Jeder, der asiatische Städte kennt, und wir befinden uns hier immerhin in der Hauptstadt eines Staates, weiß vielleicht, wovon ich spreche: es ist schmutzig, laut ,staubig und voll. Also, jemand, der den Angergraben bei Hitzendorf als SCHÖN bezeichnet, kann Gleiches nicht von dieser Stadt behaupten. Und dennoch….

Wenn man mit dem Taxi von Punkt A nach B fährt, meint man, das Wort „Verkehrskollaps“ müsste seinen Ursprung hier in dieser Stadt haben . In Straßen, die so eng sind, dass wir mit unseren heimischen Karossen schon im Einbahnsystem Schwierigkeiten hätten, fahren hier Massen von kleinen Toyotas  und Suzukis in beide Richtungen, dazwischen unzählige Mopeds, Fahrradrikschas und auch der eine oder andere Karren wird gezogen. Und noch dazu fahren sie alle auf der falschen Straßenseite!!! An besonders fragilen Punkten stehen dann 4-8 Polizisten, wild gestikulierend, als wollten sie sich für einen Dirigentenkurs qualifizieren, und quälen dabei gleichzeitig ihre Drillerpfeifen, als ob es für jeden Pfiff ein Bonus gäbe. Ihr oberstes Ansinnen ist nicht die Einhaltung der „ Straßenverkehrsordnung „ ( dieses Wort gibt es im nepalesischn Duden wahrscheinlich auch nicht ) sondern nur den Verkehr irgendwie am Laufen zu halten , dass es nur ja zu keinem Stillstand kommt    Ja und zu guter letzt mischt sich in diese Symphonie aus Lärm und Abgasen das stete Hupen jedes einzelnen Auto- und Mopedfahrers, die offensichtlich alle tatsächlich glauben, durch ihren Hupbeitrag dem Chaos entrinnen zu können. Um im Nepalesichen wie auch im indischen Verkehr mithalten zu können braucht man 3 goodies  : Good break , good horn  und zuletzt noch  good luck . ..

Und dennoch…..

Man fragt sich täglich mehrere Male, wie solche Städte überhaupt funktionieren können. Doch sie tun es! Nicht nach unseren Regeln, nicht mit unseren Einschränkungen und Vorschriften – würden wir unsere Standards hier ansetzen…. Ja dann würde tatsächlich alles kollabieren, so  aber funktioniert es.

Wenn wir dann von einem unserer Ausflüge zurück in unser Mittelklassehotel kommen und ich mich hinter meinen mit Delphinen verzierten Duschvorhang verstecke und der Verführung nicht widerstehen kann, unsere Badewanne mit unverschämt viel heißem Wasser zu füllen, dann ist das natürlich irgendwie dekadent – ich weiß. Wenn ich das alles schaffe, bevor der Strom wieder auf das Notstromaggregat umschaltet, und ich mir sogar noch die Haar danach föhnen kann, dann ist das echter Luxus und ich bin bereit, wieder loszuziehen, in diese verrückte Stadt, die so laut schmutzig und voll ist, und dennoch etwas Besonderes hat….

Und ich möchte hier im Kleingedruckten noch anfügen, dass Christian manchmal sogar morgens und abends dieser verführerischen  heißen Badewanne nicht widerstehen kann.

Und weil wir ja soviel Zeit haben, machten wir einen 2-Tagesausflug ins Umland von Kathmandu. Ein Motorrad, 2 Helme, ein kleiner Rucksack und WIR ….. quasi ein Ausflug ins Grüne, à là Easyrider, hab ich mir halt so gedacht….. Aber kaum haben wir die Ausfallstraße erreicht, war mir klar, der Agent hatte uns das falsche Drehbuch verkauft…… wir waren plötzlich im Mittelteil von Madmax IV….. die Apokalypse schlechthin! Es war nicht das Fahren auf der falschen(!) Seite – es geht ja vielmehr darum zwischen den Schlaglöchern, den Fahrrillen und den unzähligen Fahrzeugen überhaupt eine Spur zu finden. Ich hab mich auf meinem Sozius festgekeilt, aufgepasst, dass ich  meinen zu großen Helm nicht verliere, und mich bemüht, immer nur dann einzuatmen, wenn nicht gerade der Auspuff eines LKWs auf unserer Höhe war. Wir fuhren praktisch 2/3 der Strecke auf einer riesigen  Baustelle zwischen Überland LKW´s deren Fahrer Kleingetier wie Fahrrad – und Motorradfahrer – also uns – auch als solches sehen nach dem Motto : Bist du groß hast du Vorrang !! Die Feinstaubbelastung unserer Lungen wurde wieder mal auf ein Maximum gesteigert  aber nach 2 Stunden im Gewühl fanden wir dann die Abzweigung zu unserem Ziel.

Die letzten km nach Nagarkot  ging es dann wieder den Berg hinauf – sogar eine richtig asphaltierte Straße. Plötzlich sahen unsere Augen wieder, was unser Hirn schon fast vergessen hatte – richtiges Grün! Es tat unheimlich gut, durch diesen Pinienwald zu fahren, dazwischen leuchtende Rapsfelder und Weihnachtssterne ca. 120 cm (!) hoch.  Ich muss zugeben, die saftigen Farben unserer Heimat gehen uns hier manchmal schon ab. Nagarkot liegt wieder auf 2150 m  und lässt bei klarem Wetter einen wunderbaren Blick auf die Himalayagebirgskette zu.  Für unseren Rückweg wählten wir eine andere Strecke, quer über die Dörfer, punktgenau wieder zurück in unser Hotel. Wir sind schon echte Kathmandu-und-Umgebung-Spezialisten.

 

Zusammengefasst ist Kathmandu  ein Konglomerat  aus vorwiegend Armut, wenig neuem Reichtum , eine Mischung aus Gauklern , Geisterheilern , Schamanen , Mönchen und Gurus , Klein – und Kleinstunternehmern , Schleppern , Abzockern und einer nicht zu verachtenden Portion Charme -  wenn man gewillt ist auf die Straße zu gehen und die vielen Facetten dieser uns fremdartigen Welt zu erkunden. Alles zusammengehalten von tiefer Gläubigkeit – anders kann man sich ein friedliches Zusammenleben so vieler verschiedenen Klassen und Strukturen nicht erklären . An jeder Ecke gibt es kleine Tempelchen und Gebetsstätten , überall findet sich Gelegenheit zum entzünden einer Öllampe .

Abends werden wir dieses friedlich – chaotische Miteinander noch einmal auf uns einwirken lassen und uns schon geistig auf unser nächstes Ziel – Varanasi  in Indien – vorbereiten .