Varanasi - Indien

Nach Indien einzureisen, war gar nicht so einfach. Unser Gepäck wurde X-mal übrprüft, und wir mussten so einen „Seuchenfreischein“ ausfüllen…. Kurz vor dem endgültigen Check-In hat uns noch jemand so einen elektronischen Fieberthermometer an die Stirn gedrückt, und erst dann erhielt unser Formular den Stempel „  found fit “ Wie zum Hohn fühlte ich mich im Hotel angekommen alles andere als wohl, erste Anzeichen einer Grippe. Vielleicht einfach, weil hier alles noch ein wenig stressiger war, als in Kathmandu. Zu dem unglaublich dichten Verkehr gesellten sich auch noch eine Menge Kühe, Ochsen und Ziegen, die Straßen und Kreuzungen bevölkern, noch mehr Staub und noch mehr Armut. Doch ich bin anpassungsfähig….. am nächsten Tag war alles wieder OK.

 

Wir streifen also Indien im Nordosten für 10 Tage . Im Vergleich zu meinen vielen Indienaufenthalten die in Summe mehr als  1 ½  Jahre ergeben nur ein kurzer Augenblick aber eine gute Gelegenheit für Elke Indien gleich in seiner ganzen Intensität und Ausdrucksstärke zu erleben .  (wie wahr!!!) Es gibt wohl kaum eine für Indien  authentischere  Stadt und auch sicher nichts Vergleichbares auf diesem Planeten als Varanasi ,das frühere Benares.  Eine Stadt der Religion , ein Ort des letzten Augenblickes – hierher kommen Gläubige um zu sterben, um ihre Toten zu verbrennen und ihre sterblichen Überreste von Mother Ganga hinwegtreiben zu lassen .

Es ist eine Stadt in der Gläubige um ein besseres Karma zu erreichen in den kalten Fluten des Ganges baden , sich rituellen Waschungen hingeben ,daraus trinken . Das alles neben Abwasserkanälen , toten im Wasser treibenden Kadavern , Fäkalien .

Es ist schwer , wenn nicht unmöglich , den Eindruck den diese Stadt hinterlässt zu beschreiben. Wenn man an den Ufern des Ganges  - den Ghats – entlangspaziert  wechseln Bettler mit Gurus , Sadus mit Yogi , Gläubige mit Schaulustigen , Kricketspieler mit Ausflüglern , Sterbende und bereits Verstorbene die auf die Einäscherung warten, die Szenerie . Geruch von Essen wechselt mit Geruch von Kloaken , Rauch , der Dunst von verbranntem Fleisch , Geruch menschlicher  wie auch tierischer Ausscheidungen  zieht durch die Nase.

Diese Stadt ist ein Tollhaus . Beinahe 24 Stunden am Tag ertönt Gebetsmusik aus Lautsprechern , bimmelt , trommel , hämmert es irgendwoher . Die Sinne sind ununterbrochen gefordert.

In den engen Straßen der Altstadt wälzen sich  Massen von Menschen zwischen den um Geschäft bemühten Händlern , auf den Straßen breit genug für Verkehr behindern sich Autos , Motorrikschas , Fahrradrikschas , Fuhrwerke , Karren , Menschen und frei  herumlaufende Kühe und Wasserbüffel gegenseitig bis nichts mehr geht. Und wieder kommt uns dabei unsere Feinstaubverordnung in den Sinn . Nur 10 % unserer Verordnungen hier angewendet  würde alles zum Erliegen bringen .

Jeden Abend findet eine Zeremonie an den Ufern des Ganges statt. Um einen guten Platz zu ergattern, vielleicht auch um ein oder zwei (!) Fotos zu machen, also um mittendrin sein zu können, gibt es nur zwei Möglichkeiten:  Wir verkleiden uns als Heilige Kuh – die dürfen nämlich überall hin – was wir mit Stativ und Fotoausrüstung  aber einfach nicht hingekriegt haben. Also hatte Christian die Idee, sich als Journalist auszugeben. Das funktionierte! Und er bekam als „Fotomaharadscha“  die erste Reihe fußfrei! So haben wir neben all den zT. aufrührenden Eindrücken immer auch viel Spaß.

Ich denke, hier in Varanasi offenbart sich ein Stück Indien`s Seele. Dieser tiefe Glaube an ihre Rituale, aber auch die Armut dieses Landes verfolgt einen hier auf Schritt und Tritt. Sie ist Teil dieser Gesellschaft, immer und überall präsent. Es gibt so viele Dinge, die wir gar nicht recht nachvollziehen können.  Aber ich bin sicher, sie verstehen auch nicht, warum wir unsere Toten in ein finsteres Loch in der Erde stecken, wo deren Seele  nicht entweichen kann und wir dafür immer und immer wieder dorthin pilgern müssen, um deren Tod zu betrauern. Es ist wohl vieles eine Frage der Betrachtung.

Doch was den Schmutz anbelangt, fragen wir uns wirklich täglich mehrmals, wie man das nur aushalten kann! Wir wissen darauf keine Antwort. Das sind dann die Momente, in denen man sich  nach einem Stück Vertrautheit sehnt – auch das gehört dazu. Reisen bedeutet Erfahrungen zu sammeln, manches danach vielleicht auch neu zu bewerten.  Nach jedem Eintauchen in eine neue Kultur, in ein neues Land, nehmen wir wohl einen  kleinen Teil dieser Fremdheit auch mit uns mit. Das verändert auch uns ein winzig kleines Stück und existiert als gelebte Erfahrung in uns weiter.