Hoş geldiniz

 

Türkische Gastfreundschaft

Vor zwei Tagen nahmen wir ein saftiges Steak aus dem Gefrierfach, in der Erwartung, es am Abend, am Ostufer des Van Sees, zu grillen. Daraus wurde allerdings nichts. Wir sind  ganz im Osten der Türkei, sind also im kurdischen Kernland. Armut, Zurückhaltung und tief verhüllte Frauen? Fehlanzeige. Wir sind nicht zum ersten Mal hier, aber diesmal erleben wir die Region viel intensiver, nehmen viel mehr auf, als die letzen Male. Natürlich tragen viele Frauen ein Kopftuch, aber eben nicht alle. Und natürlich werden sie ihre Traditionen innerhalb der Familien leben. Aber das, was der Gast, also wir, erleben dürfen, ist Offenheit, Interesse und ein herzliches Hoş geldiniz. Das erleben wir schon die ganzen letzten acht Wochen in der Türkei, aber hier ganz im Osten vielleicht noch ein bisschen mehr. Wir machen es uns also am Seeufer bequem, das Wetter spielt ausnahmsweise mit und Christian stellt schon mal den Griller auf. Ein PKW parkt nicht ganz fern von uns und eine türkische Kleinfamilie, Vater, Mutter, zwei jugendliche Kinder schlagen ihr Picknicklager auf. Wir sehen aus der Entfernung, dass ein Feuer gemacht wird. Es dauert nicht lange, lädt uns der Vater der Familie zum Essen ein. Letztlich werden es Köfte auf Fladenbrot mit gegrillten Paprikaschoten, danach noch Tee und kandierte Mandeln. Unglaublich nett. Reden? Na ja, das gelingt nur eingeschränkt, aber wir sind auch darin schon in Übung. Ein Hoch auf Google und Co…. der Translater funktioniert tatsächlich. Man fragt uns – wie sehr oft – ob uns die Türkei gefällt? „Das beste Reiseland“, antworten wir sehr ehrlich. Ob verheiratet? Ob Kinder und wie viele? Wir flunkern ein bisschen, wollen sie nicht vor den Kopf stoßen. Alles könnte ja auch so sein, ist es halt nur in diesem Fall nicht. Aber das Beisammensein ist einfach zu kurz, um zu erklären, dass wir zwar ein „anständiges Paar“ sind, das sich liebt aber dennoch nicht verheiratet ist und keine gemeinsamen Kinder hat. Wie viel an Erklärung wäre da wohl nötig, um all das in einen verständlichen Kontext zu bringen. Ja, unser Leben in „Avusturya“ zu erklären, ist nicht so einfach. Ich will ehrlich bleiben – ohne Sprachkenntnis und ohne ganz viel (!) Zeit, sind wir weit davon entfernt, die Kultur ihres Landes wirklich zu verstehen oder unsere zu transportieren. Aber ist das immer notwendig? Reicht nicht manchmal auch das Gefühl „sich willkommen zu fühlen“, und das über alle Maßen?! Und genau so fühlt sich die Türkei an – von West nach Ost, im Norden wie im Süden – immer ein herzliches Hoş geldiniz! Also, heute wurde es nichts mit unserem Steak.

Am nächsten Tag fahren wir nach Muradyie um einzukaufen, so der Plan. Irgendwie kommen wir aber einfach nicht dazu. Männer sitzen auf kniehohen Schemeln, winken uns dazu, und unbedingt muss es ein gemeinsamer Tee sein. Meine Mundwinkel sind irgendwie oben hängen geblieben, es berührt einfach, wie freundlich man uns begegnet. Wir nehmen die Einladung natürlich an, und auch Baklava muss es noch sein, natürlich, warum auch nicht. Irgendwann schaffen wir dann doch unseren Einkauf.

 

Wir fahren zu Wasserfällen etwas weiter nach Norden, dort sollte es jetzt ein ruhiger Platz werden, schließlich wollen wir unser Steak von gestern grillen. Aber nein, es wird wieder nichts daraus. Es ist Wochenende und alle Türken der Umgebung sind zum Picknicken ausgerückt. Es dauert nicht lange und rund um uns rauchen die kleine Kohle und Gasöfen, Shishkebab, Köfte, Tavuk und Kuzu verströmen ihre Duftnoten und schon wieder werden wir eingeladen. Unser Styros ist einen Daumen nach oben wert, oft und immer wieder, aber nicht vordergründig, viel mehr ist es ein „schön, dass ihr da seid“ – und genau das macht es aus. Wir sitzen also bald gemeinsam mit unseren Nachbarn auf Decken am Boden, essen Gegrilltes, Salat und frisches Fladenbrot, lachen um die Wette, weil wir immer nur jeden dritten Satz des anderen verstehen, da unser Translater nicht nachkommt und irgendwann auch der Akku leer istJ. Aber all das macht nichts, wir essen gemeinsam. Und…. wir erfahren… „Ein gemeinsamer Kaffee bedeutet 40 Jahre Verbundenheit“. Also was bedeutet dann erst eine gemeinsame Grillerei! Wir sind den ganzen Tag lang überwältigt, wie zugänglich man uns begegnet und wie sehr man unsere Anwesenheit willkommen heißt. Und nicht, weil wir die große Kohle hier lassen, das tun wir nämlich nicht an diesem Platz, zahlen nur unsere Parkgebühr, wie alle anderen auch. An den Wasserfällen wird fotografiert, manchmal mit uns, dann wieder gehen wir in der Masse unter. Wir sind die einzigen nicht türkisch sprechenden Touristen. Dort wo nicht gegrillt wird, spielt die Musi …. Aus großen Lautsprechern dröhnt Türkischer Volks-Pop und es wird im Kreis, Hand an Hand getanzt. Mit Kopftuch, ohne Kopftuch, Frauen und Männer, alt und jung, alle gemeinsam. Schön ist es, hier mittendrin sein zu dürfen. Als wir, schon etwas müde zurück zum LKW kommen, hat es uns wieder „erwischt“…. Eingeladen bei anderen Nachbarn noch zu türkischem Kaffee und Kekse. Das Sitzen wird uns immer mühsamer, weil der übervolle Bauch im Weg ist. Aber irgendwann wird es dunkel und die Ausflügler fahren zurück in die Stadt. Wir bekommen noch einen Strauß gepflückter Blumen und Früchte. Und als wir dann ziemlich ermattet bei einem Schnaps – das musste jetzt sein - im LKW sitzen, kommen bereits die ersten Grüße über Instergram und Facebook herein….Wünsche für eine gute Weiterreise und ein baldiges Wiederkommen!1