Unterwegs durch

Bosnien Herzegowina

Plitvice – Zeljava Air Base - Jajce – Ramsko Jezero – Mostar

 

Es ist Ende März und das Frühjahr ist noch jung. Doch scheint uns, dass an jedem sonnigen Tag mehr Blüten die Bäume zieren und das Wiesengrün satter wird. Man kann den Frühling förmlich riechen, sobald man die Nase aus dem LKW streckt. So früh im Jahr unterwegs zu sein, erhöht die Chancen beträchtlich, sogar in Kroatien noch irgendwo wild campieren zu können. Es gelingt uns ausnahmslos gut. Wir hören von einem Anrainer nahe der Plitvice Seen, dass er sein wunderschönes Anwesen allerdings verkaufen wird, da in der Hochsaison hier um die 5000 Besucher pro Tag (!) vorbei fahren oder spazieren und er seine Privatsphäre nicht mehr geschützt sieht. Wir aber haben den NP, abgesehen von ein paar Chinesen-Bussen – die gibt es immer und überall auf diesem Planeten – immer wieder auch mal ganz für uns alleine. Mit dem Motorrad sind wir wendig, schnell  und unauffällig. Ideal für Erkundungen.

Nur 30 km von Plitvice entfernt befindet sich die Zeljava Airbase, eine aufgelassene Militärbasis aus dem 2. Weltkrieg, mit noch traurigen Zeitzeugen. Die Flugzeugkaverne an der bosnisch-kroatischen Grenze bei Bihac war die größte ihrer Art in Europa. Die Konstruktion sollte einem Atomangriff standhalten und wurde von einer Garnison mit 5000 Soldaten genutzt. Riesige dunkle, faulig riechende Katakomben tun sich dort auf, in denen Kriegsbomber versteckt werden konnten. Ohne starke Scheinwerfer mag man dort nicht freiwillig weit hinein gehen. Dieselbe Endzeitstimmung befällt einen, wenn man die verfallenen Garnisonsgebäude sieht. Aber nicht wegen des Gebäudeverfalls, sondern weil man weiß, dass alles hier nur einem einzigen Zweck diente – dem der Vernichtung. Die Tatsache, dass sich jetzt wieder die Natur Stück für Stück zurück holt, hat eher etwas Tröstliches. Der einzige Flieger, die bunt beklebte DC 3, ist ein beliebtes Fotomotiv. Wie schön wäre es doch, wenn alle Kriegsbomber auf diese Weise am Boden blieben.

Weiter fahren wir über die Wasserfälle von Jajce zum Ramsko Jezero, einem Stausee im Blidinje NP. Immer wieder führt unser Weg entlang glasklarer, türkisblauer Flussläufe, immer wieder sprudelt es glitzernd und kraftvoll Geländestufen entlang in die Tiefe. Nicht nur im NP, auch einfach gleich so neben der Straße. Entlang dieser ganzen Strecke wird mir so bewusst, wie wertvoll Wasser doch ist. Diese Quelle des Lebens verleiht nicht nur der Natur ihr wunderbares Aussehen, sie ist auch für unsere Existenz bestimmendes Element. Und wenn man bedenkt, dass 2 Milliarden Menschen, also jeder 4. Erdenbewohner, keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser hat, stimmt mich das traurig.

Noch etwas fällt auf. Je weiter wir nach Süden fahren, desto ärmlicher werden die sichtbaren Lebensbedingungen. Wir sehen viele alte aufgelassene Mühlen, die einst wohl das Einkommen ihrer Besitzer bestimmt haben. Heute ist dieses Gewerbe nicht mehr gewinnbringend, die Arbeit vielleicht auch zu schwer. Wir überqueren die Grenze zu Bosnien und hier wandelt sich das Bild noch deutlicher. Vieles hier wurde in den Kriegen zerstört – nicht nur Bauwerke, wohl auch unzählige Menschenleben, Seelen und Herzen. Wie immer lese ich mich in das jeweilige Land ein. Hier in Bosnien und Herzegowina fällt es mir besonders schwer, die politische Situation zu erfassen. Ich lese aber auch, dass es selbst für die Menschen hier im Land schwierig sei, das komplizierte Politsystem zu verstehen, weshalb das Vertrauen in dieses kaum vorhanden sei und sich die meisten eher ihrer Volkgruppen zugehörig fühlen. Das Territorium Bosnien und Herzegowina umfasst die bosnisch-kroatische Föderation Bosnien und Herzegowina und die Serbische Republik Srpska. Der Vertrag von Dayton hat Bosnien und Herzegowina zwar Frieden gebracht, die Spaltung der Volksgruppen jedoch nicht überwinden können. Und so leben Bosnier, Kroaten und Serben, Muslime und Christen auf ein und demselben Territorium, mit dem so schrecklichen Erbe der Vergangenheit. Jeder, der älter als 45 ist, hat die Gräuel des Krieges noch hautnah miterlebt. Ich frage mich oft, ob man das irgendwann wegsteckt, Details davon vergisst oder bestenfalls verdrängt? In unserer Erinnerung sind es nur Namen: Banja Luka, Srebrenica, Tuzla, Sarajevo, Mostar. In den Herzen der Menschen müssen diese Namen klaffende Wunden sein. Ich kann`s manchmal gar nicht verstehen, dass uns trotzdem nur freundliche und lachende Menschen begegnen. Vielleicht ist dieses Empfinden unserem persönlichen Älterwerden geschuldet, vielleicht der allgm. Situation um die Ukraine – aber so zu tun, als ob unsere Welt im Grunde eh friedlich wäre, fällt mir oft schwer, wenn wir die unzähligen Einschüsse in den Mauern der Häuser sehen, die wir passieren. Daneben ist natürlich auch schon Vieles wieder restauriert und aufgebaut worden.

 

Mostar wirkt fast noch etwas verschlafen. Viele Restaurants sind noch geschlossen, nicht alle Verkaufsstände geöffnet. Es ist ein entspanntes Flanieren, ohne sich in den engen Gassen an ein striktes „Einbahnsystem“ halten zu müssen, was in der Hauptsaison ganz bestimmt der Fall ist. Abschließend können wir sagen, dieses Bosnien ist ein wirklich reisewertes Land mit einer herrlichen, besonders wasserreichen Naturlandschaft.